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In jungen Jahren musste ich mit meinem Freund im Sommer immer gegen Abend auf den Friedhof und dort die Gräber seiner Großeltern gießen. In unmittelbarer Nähe von einem dieser Gräber war der Jüdische Friedhof. Uns beide haben die alten Gräber fasziniert, die wir aber nur über die Mauer sehen konnten, da der komplette Friedhof von einer Sandsteinmauer abgeriegelt und der Eingang durch ein Eisentor abgeschlossen war und wir nie direkt vor einem Grab stehen und die Inschriften lesen... weiterlesen konnten.
Die evang. Jugend initierte vor 3 Jahren eine Ortsbegehung, bei der die in Walldorf durch den Künstler Gerhard Demnig verlegten Stolpersteine, sowie der Jüdische Friedhof besucht wurden. Das Tor ist vor einigen Jahren geöffnet worden so dass man den Friedhof uneingeschränkt betreten kann.
Dieser jüdische Friedhof, der wie schon gesagt, an den Städtischen Friedhof angliedert ist, besteht erst seit den 1820er Jahren, obwohl seit 1722 jüdische Familien in Walldorf ansässig waren. In diesem Zeitraum von 100 Jahren, wurden die Juden in Wiesloch bestattet. Über Personenstandserfassungen wurde festgestellt, dass im Jahr 1852 der höchste Stand mit 169 Personen jüd. Glaubens in Walldorf sesshaft waren. Dies bedeutete 7,5 % der Gesamtbevölkerung. 1933 waren es noch 53 Personen und 1940 verblieben 20 Personen, die dann alle nach Gurs deportiert und umgebracht wurden. Insgesamt sind 88 Grabstätten erhalten, die heute von der Stadt Walldorf gepflegt werden.
Man ist landläufig der Meinung, dass Juden nur durch die Nazis verfolgt wurden. Bereits im März des Revolutionsjahres 1848 kam es in Walldorf zu Ausschreitungen gegen die jüdischen Bewohner, denen die Fenster ihrer Wohnungen eingeworfen wurden.
Ab Mitte des 19.Jahrhunderts entspannte sich das Zusammenleben zwischen den nichtjüdischen und jüdischen Bürgern, so dass viele jüdischer Einwohner Mitglieder in den lokalen Vereinen und im Bürgerrat sein konnten. Im Wirtschaftsleben Walldorfs spielten Juden für eine längere Zeit eine wichtige Rolle; so wurde fast der gesamte Hopfen-, Tabak- und Viehhandel des Ortes von ihnen betrieben; die Inhaber der Zigarrenfabriken waren fast ausnahmslos Juden.
Ende der 1920er Jahre gab es in Walldorf noch eine Zigarrenfabrik, drei Tabakhandlungen und mehrere Einzelwarengeschäfte in jüdischem Besitz. Mit dem Aufkommen der Nationalsozialisten gerieten diese Unternehmen in wirtschaftliche Not: Zwei von ihnen mussten bis 1937 aufgeben, die anderen konnten sich gerade noch über Wasser halten.
Bei den Ausschreitungen in der Pogromnacht von 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zertrümmert; NS-Anhänger demolierten auch Wohnungsmobiliar der wenigen noch in Walldorf lebenden Juden und verbrannten es auf der Straße. Dass das Synagogengebäude heute noch steht hat man dem Umstand zu verdanken, dass die Synagoge in unmittelbarer Nachbarschaft eines NS-Funktionärs stand. Einige Männer wurden verhaftet, ins KZ Dachau verschleppt und erst nach Wochen wieder freigelassen. Diejenigen Juden, die in Walldorf geblieben waren, pferchte man in wenigen Häusern zusammen, wo sie isoliert von der übrigen Bevölkerung bis zu ihrer Deportation nach Gurs im Oktober 1940 ein armseliges Leben fristeten. Von der Deportation waren 19 jüdische Bewohner Walldorfs betroffen; über ihr Schicksal ist kaum etwas bekannt. Mindestens 27 Walldorfer Juden kamen während der NS-Verfolgung ums Leben.
Das ehemalige Synagogengebäude dient seit den 1950er Jahren der Neuapostolischen Gemeinde als Gottesdienstraum. Am Gebäude erinnert eine Inschriftentafel an die Geschichte des Hauses.
Ich finde, dass der jüdischer Friedhof mitsamt dem Taharahaus (Leichenhalle) erhalten werden muß, um nicht zu vergessen, dass Juden in unserer Gesellschaft eine tragende Rolle gespielt haben und diese durch ein barbarisches System verfolgt, erniedrigt, eingesperrt und ermordet wurden. Die Verlegung der Stolpersteine finde ich eine rundrum hervorragende Sache, dass nachfolgende Generationen immer erfahren, was ein Teil unsere Vorfahren getan hat.
Es geht mir hierbei nicht um eine generationsübergreifende Schuld, nein mir geht es darum, dass die Vorkommnisse einfach nicht vergessen werden.[verkleinern]
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