Es war einmal… ein kleines Königreich südlich des Weißwurstäquators. Eine kleine, feine akademische Blase in der Nähe von Stuttgart. Seine Einwohner nannten es einfach „Tübingen“ oder auch „Diebinga“ – je nachdem, ob sie Ureinwohner oder Zugezogene waren.
Bis zum Jahre 2013 besaß (fast) jeder Einwohner des kleinen Königreichs eine eigene graue Tonne, in die er seinen Unrat entsorgen konnte. Diese musste man von seinen eigenen Talern käuflich erwerben, doch besaß man sie erst einmal, konnte... weiterlesen man sie nach Belieben füllen. Gegen Entrichtung eines Obolus bekam man eine bunte Plakette, die an der Tonne angebracht werden musste. Klebte sie gut sichtbar dort, konnte man sie alle zwei Wochen an den Wegesrand stellen. Dort wurde sie von starken Männern in orangefarbenen Rüstungen zu einem großen, orangefarbenen Stahlross emporgehoben, das unter lautem Grollen und Getöse den Unrat fraß. Von ihrer Last befreit, wurde die Tonne erneut am Wegesrand abgestellt und von ihrem jeweiligen Besitzer zum Haus zurückgebracht.
Auch ich besaß dereinst eine solche Tonne. Sie war dunkelgrau, fast schwarz und fasste 35 Liter. Die zylindrische Form und der ebene Boden machten sie standfest gegen alle Unbillen von Steigungen, Kopfsteinpflaster, Sturm und Unwetter.
Dann kam 2013 und mit ihm der „Neue Müll“, wie der König die Kampagne nannte. Die Stummeltonne, dero einst eigener Besitz, wurde von Männern mitgenommen und gegen ein hochbeiniges Exemplar mit Rollen eingetauscht. Dies ist nun nicht mehr mein Eigen, sondern eine Leihgabe der Stadt. Auch keine bunte Plakette schmückt mehr das dunkelgraufastschwarze Gehäuse, das, laut Angabe seines Schöpfers, nun fünf Liter mehr fassen soll. Davon merke ich nichts. Die Form des Unratbehälters ist so unpraktisch, dass die fünf zusätzlichen Liter (und noch mehr) von der elenden Geometrie aufgefressen werden.
Möchte man nur den Grundpreis an Talern bezahlen, der nun minimal unter dem alten Talersatz liegt, reitet das orangefarbene Stahlross nur noch alle vier Wochen durch die Gassen. Für zusätzliche Taler reitet es weiterhin unratverschlingend im zweiwöchigen Turnus.
Das radbewehrte Unratbehältnis, hochbeinig wie es ist, steht stets ein wenig kippelig am Wegesrand. Kopfsteinpflaster mag es nicht und auch Unebenheiten als solche sind ihm ein Graus.
Nun, nachdem das erste Jahr ins Land gegangen ist, schickte der Besitzer des Stahlrosses die erste Abrechnung der zu entrichtenden Taler. Entgegen aller gebetsmühlenartigen Wiederholungen des Satzes „es wird nicht teurer“, ist es doch teurer geworden, da ich die orangefarbenen Männer und ihr Reittier alle zwei Wochen zu Diensten bitten muss. Dass ich nun die Taler für 2014 im Voraus bezahlen muss, wunderte mich ebenfalls sehr.
Die stählernen Rösser reiten pünktlich durch die Gassen, im Sommer oftmals auch zur frühen Morgenstunde, kurz nach sieben Uhr. Ihr Grollen weckt alle Offenfensterschläfer im weiten Umkreis. So hat man sich wenigstens den Wecker gespart.
Ich werde mich dezent weiterärgern, auch wenn ich das Argument Arbeitsschutz durchaus verstehen kann, denn so muss kein Arbeiter mehr die Tonnen tragen, sondern kann sie rollen (und rollen lassen sich die Dinger über Kopfsteinpflaster mehr schlecht als recht). Für Inhaber einer solchen Kippeltonne ist es trotzdem nervig…
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann reiten, grollen und tosen sie auch heute noch, die orangefarbenen Stahlrösser…[verkleinern]