Vor kurzem habe ich spontan beschlossen nach Solingen zu fahren, um zum ersten mal den dortigen Stadtteil Gräfrath zu besuchen. Wie an einigen Stellen ersichtlich, ist es ein langer Tag geworden, in dessen Verlauf sich irgendwann der Hunger eingestellt hatte und ich in diesem Kaffeehaus eingekehrt bin. Es ist einer dieser hübschen historischen, mit Schiefer gedeckten Häuser, die rund um den Marktplatz dort zu finden sind. Bei dem tollem Wetter, das es an dem Tag gegeben hatte, würde ich am... weiterlesen
liebsten draußen Platz nehmen, doch sie waren Mittags alle bereits besetzt. Da ging es rein, doch dort sah es nicht viel besser aus. Auf meine Anfrage hin, konnte ich mich (doch) an einem reservierten Tisch setzen, weil es für eine wesentlich später Uhrzeit gewesen war.
Das Kaffeehaus, auch wenn es eher als ein Restaurant ist und der Name ein wenig verwirrend zu sein scheint, ist ziemlich beliebt. Das merkte man an der, bereits Mittags vollen Gaststube. Dort gab es mehrere lange Tafeln, an denen bereits eingedeckt gewesen ist und ach dem Anlass entsprechend (mehrere Geburtstage, wie es schien) eingedeckt. Nicht so an meinem Tisch, wenn man es vermuten könnte.
Die Inneneinrichtung ist als sehr rustikal zu bezeichnen, doch hier hat es wirklich gestimmt. Die Karte als solche ist zwar nicht besonders groß, doch darunter befinden sich einige Klassiker, die man sich schmecken lassen kann. Für mich war die Mittagskarte besonders interessant, denn mein Wunschgericht sollte nur wenige Euro kosten. Bei einem Gericht, das ich sehr gerne mag, das hat mich schon überrascht, denn sonst kostet es mehr!
In einem solchen historischem Gebäude muss man aber sich auf einige baulichen Gegebenheiten einstellen, die nicht der heutigen "Norm" entsprechen. Zum einen ist das Haupthaus nur über Stufen erreichbar. Bei entsprechendem Wetter sich draußen zu setzen, ist ein Vergnügen, doch als barrierefrei kann man es bei besten Willen nicht bezeichnen. Was mir besonders gefallen hatte, war dass man im inneren das Fachwerk sichtbar gelassen hatte. Das hat zu einer besonderen Atmosphäre beigetragen.
Es setzt sich aus mehreren Räumen zusammen, wobei ich den in der oberen Etage gar nicht betreten habe. Auf der einen Seite gibt es die Möglichkeit sein (kalt)Getränk an einem Barhocker sitzend, an einem Tresen zu sich zu nehmen aber auch (aus meiner Sicht) in der gemütlichen "Stube" auf der rechten Seite, wo ich mich befand.
Irgendwann stellt sich eine kleinere oder größere Notdurft ein, die erledigt werden muss. Da ist erneut das Problem mit den Gebäuden aus alter Zeit, dass sie früher nach den Bedürfnissen der Bewohner an- und umgebaut worden sind. Das macht sich in der unterschiedlichen Höhe der einzelnen Bereiche bemerkbar: es ist nicht nur recht verwinkelt, sondern auch durch verschieden viele Stufen mit einander verbunden. Für Leute mit Handicap ist das schon ein Manko, das nicht unerwähnt bleiben soll. Das stille Örtchen war, trotz der regen Nutzung recht ordentlich, auch wenn es recht eng drin ist.
Für mich, als begeisterte Reisende ist es immer ein besonderes Erlebnis (unabhängig davon, ob es hinterher geschmeckt hatte oder nicht) eins jener Gerichte bestellen zu können, die ich (häufig im Ausland) probiert und für gut befunden habe, um sie zu testen. Als ich auf einem Aushänger gesehen hatte, dass es jeden Samstag den "Szegedinger Gulasch" gibt, war ich wirklich gespannt, wie es schmecken würde und ob es sich optisch / geschmacklich mit dem messen kann, was ich bei meinem Freund in Ungarn (als richtige Hausmannskost versteht sich) mit viel Liebe durch seine Mama zubereitet worden ist. Meistens muss man schon Abstriche nehmen, doch die nahm ich gerne in Kauf!
Falls es einigen Szegedinger Gulasch kein Begriff sein sollte, kann man es am ehesten mit polnischem "Bigos" vergleichen. Mit was man hier unter "Gulasch" versteht, hat es kaum etwas zu tun. Es handelt sich (meiner Erfahrung nach) um einen Kohleintopf (Sauerkraut und Weißkohl gemischt), in den verschiedene Fleisch- und Würstchensorten rein kommen. Es ist einer jener Gerichte, die es in verschiedenen Varianten gibt. Wie so häufig, hat (fast) jede Familie seine eigenen Rezepte, was rein kommen "muss", sodass eine Vergleichbarkeit nur bedingt möglich ist. Meine Neugierde war geweckt, sodass ich es auch bestellt hatte. Da ich von einem Eintopf ausgegangen war, habe ich (bewußt) auf ein Getränk verzichtet.
Erster positiver Eindruck, dass man hier sich in eine ferne Zeit versetzt fühlt, sobald man auf einem der Kaffeehausstühle platz genommen hatte. In der Zeit, zwischen der Bestellung und bis es vor mir stand, habe ich mich umgeschaut und das was ich sah hat mir wirklich gefallen. Man kann es Kitsch nennen, wenn man die barockisierenden Figuren auf der decke sieht, doch es hatte schon was. Ich hatte eher das Gefühl gehabt, nicht in einem X-beliebigem Lokal zu sitzen, sondern in einer Art Wohnzimmer, auch wenn deren Einrichtung weit von dem Abweicht, was mir persönlich vorschweben würde, denn rot gestrichene Wände und Plüschvorhänge in der gleichen Farbe sind nicht jedermanns Geschmack.
Nun ja, zu dem was ich zu mir genommen hatte: es war mehr Fleisch mit Sauerkraut, reichlich Soße (sehr lecker) und Kartoffelspalten und nicht das was ich erwartet habe... Es war definitiv... anders, als ich es aus Ungarn in Erinnerung hatte, wo die ganzen Zutaten klein geschnitten in einem Kassel zusammen schmoren. Trotz der Überraschung habe ich es getestet und für recht ordentlich eingestuft. Mein Kohldampf war schon beachtlich, sodass ich kein Foto von dem Gericht gemacht habe. Die Portion war so beachtlich, dass ich sie nicht mal vollständig geschafft habe und das will schon was heißen, denn man kann mich nicht als "Kostverächter" bezeichnen ;-).
Das beste an dem Gericht war die leckere Soße, die richtig gut abgeschmeckt gewesen ist und kein Fertigprodukt, wie es häufig der Fall ist. Das Fleisch (3 Scheiben) waren schön mürbe und zergingen richtig auf der Zunge, das Lobe ich mir. Das Personal war wirklich, trotz der sehr guten Auslastung, ziemlich flott und auch wenn es eine Minute länger gedauert hatte, hat sich die Dame dafür entschuldigt, was in der Gastroszene inzwischen eine Seltenheit geworden ist.
Mein größter Kritikpunkt ist aber etwas anderes: das Essen war höchstens lauwarm gewesen. Da ich schon recht Hunger hatte und ich nicht wußte, wie lange ich auf ein "Ersatz" warten müsste, habe ich es nicht zurück gehen lassen. Ob es ein einmaliger "Ausrutscher" gewesen ist oder einen anderen Grund gehabt hatte, bzw. wie es sonst mit der Temperatur der Speisen aussieht, kann ich nicht sagen! Hoffe, dass wenn ich erneut (in unabsehbarer Zeit) hinkomme, dass es keinen Grund zu meckern gibt.
Eigentlich hatte ich noch vor eine der köstlich aussehenden Torten zu probieren, die es in den entsprechenden Vitrinen zwischen den Gastraum, Küche und Treppe zum OG gibt, doch da war kein Platz mehr drin gewesen. Vielleicht bei einer anderen Gelegenheit.
Wer sich ein Bild von der Lokation machen möchte, den verweise ich auf die hier verlinkte Seite, die einen Einblick ins Innere gewährt, das man als Gast dort hat. Wenn ich die paar Nachteile berücksichtige, erscheinen mir 4 Sterne und ein Herzchen angemessen.[verkleinern]