27.05.2017
In örtlichen Museen erwartet man üblicher Weise Exponate und Informationen zu einer mehrere hundert Jahre währenden Geschichte der Ortschaft.
Trutzhain, Hessens jüngste Ortschaft wurde jedoch erst 1951 gegründet in der Nähe der im Mittelalter bereits wüst gefallenen Siedlung Trutzhain, die bei der Namensgebung Pate stand.
Anlass für die Gründung dieser Gemeinde, die seit der hessischen Gebietsreform in 1971 zu Schwalmstadt eingemeindet ist, ist aber nicht die... weiterlesen
Wiederbelebung der Wüstung gleichen namens.
Vielmehr verbirgt sich im Ursprung der Entstehung der Ortschaft ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte. Hiermit befasst sich das Museum, welches zugleich als Gedenkstätte dient.
Auffallend ist, wenn man in diesen Ort gelangt, die symmetrische Anlage der Siedlung und die in Reihe und Glied stehenden Wohnhäuser.
Ruhig und friedlich liegt das Örtchen an einem Feiertag im Mai in der warmen Frühlingssonne da. Die barackenartigen Häuser mit den kaum einen Meter tiefen Vorgärten wirken liebevoll gepflegt. Blumenkübel und kästen schmücken die Eingänge und Fensterbänke. Wer würde denken, dass hier in der Zeit von 1939 bis 1945 das Grauen zu Hause war.
An Ort und Stelle befand sich nämlich das Kriegsgefangenenlager STALAG IX A Ziegenhain. Es war das größte Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen, in welchem Gefangene verschiedener Nationen interniert waren. Prominentester Gefangener war der spätere französische Stattspräsident Francois Mitterand.
Neben Franzosen waren aber auch Polen, Niederländer, Belgier, Italiener, Amerikaner, Serben und unter besonders menschenunwürdigen Bedingungen russische Kriegsgefangene interniert. Diese mussten größtenteils Zwangsarbeit leisten. Im Durchschnitt waren auf diesem recht eng begrenzten Areal so um die 10.000 Gefangene , im September 1944 sogar 53.408 Menschen zusammen gepfercht.
Nach der Befreiung des Lagers am 30.03.1945 bis Sommer 1946 wurde das Lager umfunktioniert in das CI - Camp 95 zur Unterbringung von Mitgliedern der Waffen - SS, der NSDAP, SA- und SS, Wehrmachtssoldaten und Frauen durch die US - Armee.
Antisemitische Übergriffe und Pogrome in Polen in den Jahre 1945/46 lösten eine Fluchtwelle aus. Ab Sommer 1946 bis Ende November 1947 diente das Lager unter der Bezeichnung DP - Lager 95 - 443 als Auffang- und Durchgangsstelle für Flüchtlinge , insbesondere osteuropäische Juden.
Die Belegzahl betrug zu dieser Zeit im Durchschnitt etwa 2000 Personen.
Ab dem Jahre 1948 brachte die Stadt Ziegenhain Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus den deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland unter.
So entstand letztlich die Ortschaft Trutzhain.
Im Grunde genommen stellt die ganze Ortschaft samt den beiden Friedhöfen im etwa 1 km entfernten Wald Gedenkstätte und Museum dar. Es werden umfassende Rundgänge bzw. Führungen an bestimmten Tagen oder auf Anfrage angeboten.
In dem erst im Jahre 1983 eröffneten Museumsgebäude befindet sich eine Dokumentation der Geschichte des ehemaligen Lagers.
Leider war das Museumsgebäude am Feiertag geschlossen, so dass wir uns in dem wie ausgestorben wirkenden Ort mit Hilfe eines Lageplanes, den man einem Kasten am Eingang des Gebäudes kostenlos entnehmen konnte, umgeschaut haben und anschließend noch den Waldfriedhof besucht haben, auf dem vor allem Kriegsgefangene des einstigen Lagers aus osteuropäischen Ländern teils in einem Massengrab verscharrt, teils in (mehrfach belegten) Einzelgräbern bestattet wurden.
Einen Besuch des Museumsgebäudes werde ich baldmöglichst nachholen und meine Bewertung ergänzen.
Diese Gedenkstätte dürfte in ihrer Art einzigartig sein, da die Barrackenlager für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter später meist abgerissen wurden.
Zusätzlich zu den angegebenen Öffnungszeiten hat das Museum jeden 2. Und 4. Sonntag im Monat geöffnet.
Es gibt Sonderöffnungszeiten während der Schulferien.[verkleinern]