Alles öko - oder was?
In und um Green City treibt der Ökowahn bisweilen schon skurrile Bioblüten. Ein grüner Oberbürgermeister - ok. Solarmesse - nach München abgewandert. Windräder auf dem Schauinsland - der Badner ist geduldig...
Deutschlands erste solarbetriebene Gaststätte - ein Werbegag?
Mitnichten! die Rappenecker Hütte liegt - richtig! am Rappeneck, und damit mitten im infrastrukturellen Niemandsland. Kein Wasser, da keine Zuleitung. Kein Abwasser, da keine Ableitung. Und... weiterlesen natürlich kein Strom, da keine Stromleitung.
1662 war das Stand der Technik. Da gab es Herzhäuschen, Waschschüsseln und Talglichter. Lebensmittel wurden geräuchert, eingekocht, gedörrt oder im Kühlkeller gelagert. Der nicht gerade verwöhnte Wandertourist hat dies geduldig bis1985 mitgemacht, dann entschieden die Betreiber, es sei Zeit für einen kleinen Schwärzwälder Quantensprung. Mit Hilfe des Fraunhofer Institutes wurde eine autarke Energieversorgung entwickelt und installiert. Seit 1987 wird im solar- und windgespeisten Hauskraftwerk eine jährliche Energieleistung von 30.000kWh erzeugt und im Wortsinne gleich wieder verbraten. 2003 wurde eine wasserstoffbetriebene Brennstoffzellle hinzugefügt - für die wind-und sonnenarmen Wintertage. Zu beiden Zeitpunkten ein technisch völlig neuer Ansatz, die Anlage läuft seither störungsfrei, bei meinen Besuchen war das Bier immer perfekt gekühlt!
Und nachgefragt ist die Hütte. Das liegt zum Einen am Engagement der Betreiber im Mountainbike-Segment. Bei der MTB-Weltmeisterschaft befand sich unmittelbar an der Hütte der Startpunkt für die Downhiller, entsprechend fit sind hier die Gäste. Daneben liegt das Lokal an einer der schönsten Wanderstrecken im Schwarzwald.
Aber auch mit dem Auto ist das Rappeneck gut zu erreichen, viele Freiburger nutzen dies für eine kleine abendliche Landflucht.
Das gastronomische Angebot ist einfach, aber erlesen. Frischfleisch und Wurstwaren von der Metzgerei Reichenbach, Käse aller Art vom Käsekessele, Weine vom Gut Landmann und Bier (leider) von Ganter. Lokale Erzeuger, mit denen kontinuierlich zusammengearbeitet wird. Natürlich dürfen die diversen Bio-Siegel nicht fehlen...
Auf der herrlichen Freiterrasse mit Blick in den Schwarzwald und auf wirklich glückliche Kühe wird regelmäßig ein Spanferkelgrillen angeboten, der sehr rustikal gehaltene Gastraum (sog. Ganter-Barock) bietet für widrige Wetterlagen reichlich Platz.
Der Service ist freundlich und bodenständig, man versteht sich weiterhin als Wandererhütte. Allerdings technisch und ökologisch auf der Höhe der Zeit!
Update 2020:
Seit einiger Zeit war tote Hose im Öko-Paradies, die Hütte geschlossen. Keiner wußte was genaues, Streit zwischen den Pachtleuten soll zur Schließung geführt haben.
Jetzt stand ein Gerichtstermin an, der Streit ist essenziell: Die erzeugte Energie reiche nicht, die Investitionen der Pächterin seien deswegen fehlgeschlagen. Sechsstellige Forderungen und Gegenforderungen stehen im Raum, eine vom Gericht favorisierte Einigung kam nicht zustande. Jetzt wird wohl das Fraunhofer Institut die eigene Anlage begutachten müssen...
Die Ökolichter bleiben erstmal aus am Rappeneck, vielleicht nehmen wir doch wieder Talglichter?[verkleinern]