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In der Nürnberger Innenstadt gibt es zwei Denkmäler, die an Hand Sachs erinnern. Dieses ist das ältere unter ihnen. Es ist ein weiteres, das im 19. Jahrhundert errichtet wurde, das auf einen Sohn der Stadt hinweist. Wir stehen vor einem bärtigen Mann in sitzender Position, dessen Erscheinung den Betrachter schon vor einige Fragen stellt. So ging es mir jedenfalls. Mein Weg dahin war aber bewusst gewählt. Zu finden ist dieses in einer Gegend, die dem Dargestellten zu seinen Lebzeiten auch... weiterlesen bereits bekannt gewesen war. In der frühen Neuzeit hat es einen großen Unterschied ausgemacht, wo eine Person gelebt und gearbeitet hatte. Ein solcher Hinweis ist schon wichtig, weil im 16. Jahrhundert es eher in einer freien Reichsstadt, wie Nürnberg es gewesen war, es zum „guten Ton“ gehörte, dass auf die persönliche Bildung ein großer Wert gelegt wurde. Damit gehörte er zu einer sehr geringen Schicht, die lesen und schreiben konnte, wenn man sich die entsprechenden Statistiken vor Augen führt! Die Feder in der rechten Hand und ein Bogen Papier in der anderen weisen darauf hin.
Hans lebte in einer Umbruchzeit, in der sich die Sicht auf den Menschen und seine religiösen Überzeugungen tiefgehend gewandelt haben. Vor dem Wechsel der geltenden Religionszugehörigkeit ab 1525 zum protestantischen Glaubensbekenntnis galt Sachs ziemlich früh als deren „Sympathisant“. Ob er sich freuen würde, dass im Gegenüber liegendem Heilig-Geist-Spital weiterhin auch eine soziale Einrichtung untergebracht ist. Es gehört zu den wenigen Gebäuden, die die wirren der Zeit weitgehend original überdauert haben. Bei dem Wandel der vergangenen Jahrhunderten ist die Vita von Hans Sachs aus verschiedenen Gründen bemerkenswert. Wenn ich den Namen höre denke ich scharf nach, da war doch ein Prominenter mit dem Nachnamen, doch wenn ich diese Begriffe in die Suchmaschine eintippe erscheint ein gewisser Gunter Sachs, das war erstmals die falsche Fährte. Wie man es auf dem Sockel lesen kann, lebte der Dargestellte in den Jahren 1494-1576. Somit war er ein Zeitgenosse von mehreren berühmten Persönlichkeiten der Zeit: Dürer, dem Bildhauer Michael Beheim, Veit Stoß und weiteren.
Nürnberg um 1500 besaß eine Sonderrolle unter den Städten des Reichs. Es stand unter der Selbstverwaltung, die auf dem wirtschaftlichem Geschäftssinn der tüchtigen Handwerker mit deren „Hightechprodukten“ basierte. Unter ihnen waren die Metallwaren an sich ein Alleinstellungsmerkmal, wenn ich an den besagten Hintergrund denke. Bei der Erscheinung von Hans Sachs könnte man meinen, vor allem mit der Schürze hier sitzen sieht, dass auch er dazugehört hatte. An der Stelle ist es eine weitere „Niete“, die ich fälschlicher Weise angenommen habe. Schauen wir uns seine Biographie genauer an, um seinen „Ruf“ in der Gesellschaft nachzuvollziehen.
Hans als Knabe wurde zuerst in einer „Lateinschule“ unterrichtet. Für gewöhnlich (auch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein, teilweise bis heute) gab es die „Tradition“, dass ein Beruf von einer Generation zur nächsten fortwährend betrieben wurde. In der Familie Sachs war es bei Hans nicht der Fall gewesen. Statt wie sein Vater Schneiderhandwerk zu ergreifen, wurde er stattdessen Schuhmacher. Seine Lehre dauerte vom 1509-11. In der Zeit wütete in Nürnberg die Pest. Er überstand das ganze und hat (für diese Epoche) sehr lange gelebt. Wie die Zunftordnung es gefordert hatte, begab er sich daraufhin bis 1516 auf die Wanderschaft. Nicht im heutigem Sinne, sondern um seine Kenntnisse unter „Beweis“ zu stellen, als auch neue Fertigkeiten zu erlernen. Jenes Teil seines Lebens war schon hart und entbehrungsreich. Dennoch sollten diese Jahre mehr als prägend sein! Das aus mehreren Gründen.
Der mittelalterliche und an den Höfen ausgeübte Minnesang ist vielen ein Begriff. Im frühem 16. Jahrhundert wurde dieser längst von anderen musikalischen Strömungen abgelöst. Der Wandel darunter war nicht so „schnelllebig“ wie es heutzutage der Fall ist aber einige „Bestandteile“ wurden dennoch fortgeführt. In dieser „Tradition“ standen die sog. „Meistersinger“. Habe selbst sehr viel Zeit verwendet, um den dazugehörigen Hintergrund herauszufinden. Wenn man im Netz nach diesem Begriff sucht, wird man Richard Wagner (deren Musik ich persönlich nicht mag) finden. Die Vorlage dafür ist schon das Leben des Hans Sachs, der darin eine große „Rolle“ spielt. Aber nicht so hastig, alles der Reihe nach!
Man stellt sich ein Wettbewerb vor, bei dem die teilnehmenden Sänger (selbstredend nur Männer, die als Handwerker tätig gewesen sind) ihr Können unter Beweis stellten. Heute, nach über 500 Jahren würde man es von einem „Meister-Rapper“ die Rede sein. Kein Scherz, sondern weil es sich um Sprachgesang gehandelt hatte, ist das aus meiner Sicht naheliegend, sie miteinander zu vergleichen. Es gab aber auch Unterschiede. Hans soll unter den Teilnehmern aus der „beste“ bezeichnet worden sein! Lasst also die Musik spielen!
Um ein Meistersinger zu werden, bedurfte es sowohl Musikalität als auch dichterisches Talent. Diese beiden Eigenschaften zeigte der junge Hans, als er noch während seiner Walz beim Leinenweber Meister Lienhard Nunnenbeck zwei Jahre lang drin unterrichtet wurde. Dieser Förderer hat ihn mit dem erwähntem Genre des Minnesangs vertraut gemacht. Hand Sachs war (was ab 1517 fast durchgehend belegbar ist) ein extrem „produktiver“ Dichter gewesen! So heiß es, dass es insgesamt über 6000! Werke auf ihn zurückgehen, darunter auch 4000 die der Gattung Meistergesang zuzuordnen sind! Dennoch, wie so oft, nur wenige Generationen später wurde er für mehrere Jahrhunderte vergessen! „Wiederentdeckt“ wurde er erst durch Goethe und Lortzing ca. 300 Jahre später. Erst durch diesen Umstand konnte es (noch einmal ein „Weilchen“ später) zum „Opernstoff“ herangezogen werden! Es gibt genug Kanäle, wenn man es genau vertiefen möchte, auf die ich an dieser Stelle verweise! Trotz das es bereits recht umfangreich ist, die Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Um Meistersinger zu werden, bedurfte es einer großen Kreativität! Das Thema konnte frei gewählt werden. Vor der Reformation waren die einzelnen Vorträge vorwiegend religiös „motiviert“. Zu seinen Lebzeiten sollte es sich das ändern. Darunter gab es „Passionsspiele“, einzelne Gedichte und Dramen. Um es zu verdeutlichen möchte ich ein Beispiel anführen: heute spricht man von „Couverversionen“, das gab es bereits in der frühen Neuzeit! Wurde sowohl der Text, als auch die Melodie bei einem solchen „Contest“ übernommen, spricht man von einem „Sänger“; wurde der Text verändert von „Dichter“. Nur wer eine neue Melodie beigesteuert hatte, konnte sich „Meister“ nennen. Auch, wenn bei Sachs darüber ging, gab es zudem keine weitere Steigerung! Im Gegensatz zu den „fahrenden Sängern“ waren unter anderem die aus Nürnberg in eigenen Zünften organisiert. Solche Verbindungen hatten zum Teil bis zum 19. Jahrhundert bestand gehabt. Dieses Gedicht wird als ein „perfektes“ Beispiel wie eine solche „epische“ Darstellung allen „Vorgaben“ entsprechen soll:
https://gedichte.xbib.de/Sachs,+Hans_gedicht_Der+edelfalk.htm.
Eine Strophe setzt sich (vorzugsweise) aus 20 Zeilen zusammen. Die erste 6 kann man als eine Art „Einleitung“, die nächsten bilden den „Höhepunkt“ und theoretisch nach einem „Zwischenakt“ folgt ein gewisses „Tiefpunkt“. Es ist schon an sich sehr kompliziert, sodass ich dabei bewende. Diese Stücke dienten sowohl der Erbauung als auch Unterhaltung. Zwischen Strafe und großem Lob reicht die Bandbreite, je nach dem zu welcher Zeit man sich seine Tätigkeit als Meistersinger betrachtet. Auf ein Schreibverbot folgte deren Aufhebung, als Nürnberg Protestantisch wurde. Was mich bei der Recherche sehr überrascht hatte, dass sein Nachlass sich nicht mal in der Region befindet, sondern im Stadtarchiv vom Zwickau. Dieses besitzt die weltweit größte Sammlung der handschriftlichen Hinterlassenschaften von Hans Sachs. Diese sind in 14 Bänden zusammengefasst, von insgesamt 21! Dadurch kann man erkennen, welche Bedeutung ihm noch heute beigemessen wird!
In der frühen Neuzeit lagen auch bei einer solchen geachteten Person, wie Sachs es war, Höhepunkte und Niederlagen sehr nah bei einander. Mit seiner ersten Frau Kunigunde Creutzer war er über 40 Jahre verheiratet. Aus dieser gingen 7 Kinder hervor aber er hat sie alle überlebt. Danach die Witwe Barbara Harscher aber auch wenn sie über 15 Jahre miteinander verbunden waren, hat sich an der beschriebenen Situation nichts geändert. An einigen Stellen wird vermutet, dass es an seinem „fortgeschrittenem“ Altar gelegen hatte. Finanziell war er als Schuhmacher wenig erfolgreich gewesen. Die zahlreichen Umzüge innerhalb der Stadt zeugen jedenfalls davon, weil selbst das ererbte Haus davon betroffen war. Für die besagte Zeit eher ungewöhnlich, dass sein Leben mehr als 81 Jahre gedauert hatte.
Wenden wir uns nun der Skulptur selber zu. Die Infos, die mir zu diesem Denkmal vorliegen, sind äußerst dürftig. Eine der wichtigsten Angaben fehlt: in wessen Auftrag es 1871 von Johann Konrad Kraußer (keine weiteren Details über ihn gefunden) erstellt worden ist. Der Guss erfolgte erst 74 durch den Erzgießerei Johann Leonhard Stadelmann (1829-1915) . Über ihn heißt es, dass er und sein Halbbruder Georg Herold zusammen ein Betrieb für „Rotguss“ sehr erfolgreich geführt haben. Dadurch ergibt sich, dass das Hans Sachs Denkmal eins von sehr vielen Aufträgen im In- und Ausland gewesen ist, die sie als Kunstgießer realisiert haben. Darunter weitere in Nürnberg, die ich persönlich nicht kenne. Wie auch diese wurden sie mit viel Liebe zum Detail hergestellt.
Der bärtige Mann sitzt locker mit einem ausgestreckten und angewinkeltem Bein da. Die Attribute habe ich bereits genannt: Feder in der einen Hand und einem „Manuskript“ in der anderen. Einziger Verweis auf seine berufliche Tätigkeit, ohne jedoch auf sie einzugehen, ist die Schürze, die Hans trägt. Auch, wenn bei historischen Plastiken auf die Frontansicht konzipiert wurden, lohnt sich aus meiner Sicht diese von der Rückseite zu betrachten. Sachs trägt dabei einen sehr langen Mantel, der von dieser Perspektive aus in sehr reiche Falten gelegt wurde. Erst wenn man sich dorthin begibt, wird feststellen, dass es kein Stuhl sei, auf dem der Mann platz genommen hatte! Es sind (höchstwahrscheinlich) seine „Werke“ als Bücher zu einem Haufen zusammen zu einem Stapel gestellt! Auf eine solche Idee muss man erst kommen! Nur durch eine starke Vergrößerung am PC konnte ich auf meinem Foto erkennen, dass an der darunter befindlichen Plinthe der Verweis auf den Entwerfer und den Modelleur zu finden sind. Wie der Meister selbst: es ist ein Kunstwerk, das man selbst genießen sollte. Es ist einer meiner Favoriten, der hier kein weißer Fleck bleiben darf! Volle Zustimmung ist gewiss. Wenn man da sein sollte, unbedingt anschauen![verkleinern]