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Nicht immer war das preußische Militär ruhmreich. Vor allem zu Beginn der Napoleonischen Kriege 1806 hatten sich die preußischen Truppen seit ihrer Niederlage in der Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14.10.1806 nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
An eine solche Episode erinnert der Gedenkstein auf der Oderinsel von Küstrin-Kietz (ca. 60 km östlich von Berlin, 30 km nordöstlich von Frankfurt/O), gleich hinter der Brücke über den Vorflutkanal und etwa 1 km südwestlich der ehemaligen Festung... weiterlesen Küstrin (heute Kostrzyn / Polen).
Preußen war nach Jena/Auerstedt militärisch und politisch zusammengebrochen, der König war auf der Flucht und hielt sich seit dem 19.10.1806 in der damals starken preußischen Festung Küstrin auf dem östlichen Oderufer auf. Als sich die Franzosen der Oder näherten, verließen König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise am 24.10.1896 Küstrin Richtung Ostpreußen. Der König hatte den Festungskommandanten Oberst Friedrich Wilhelm v. Ingersleben (1746-1807?) zu energischem Widerstand aufgefordert und eine Übergabe an die Franzosen verboten. Oberst v. Ingersleben versprach dem König, die Festung zu halten „bis ihm das Schnupftuch in der Tasche brenne“.
Ende Oktober 1806 erreichten die Franzosen die Oder. Am 31.10.1806 kam es im preußischen Brückenkopf auf der westlichen Oderseite zwischen Manschnow und Küstrin zu einem Gefecht zwischen 250 Mann französischer Kavallerie und einer Einheit mit 60 preußischen Soldaten unter dem Kommando von Leutnant Wilhelm v. Falkenhayn.
Angesichts der Übermacht forderte Falkenhayn von Oberst Ingersleben Verstärkung aus der Festung an, die Ingersleben mit fadenscheinigen Begründungen ablehnte. Die kleine preußische Truppe leistete zwar verzweifelt Widerstand, konnte der französischen Übermacht aber nicht widerstehen. Die meisten preußischen Soldaten und der Leutnant v. Falkenhayn fielen im Kampf, nur wenige Soldaten konnten sich in die Festung retten.
Am folgenden Tag erreichte die französische Hauptmacht das westliche Oderufer gegenüber der Festung. Entgegen der königlichen Order und seinem eigenen Versprechen leitete Oberst v. Ingersleben sofort die Kapitulationsverhandlungen ein und übergab die Festung Küstrin am 1.11.1806 kampflos an die Franzosen. Ingersleben wurde ua. die Übernahme in die französische Armee versprochen. Diesen Passus der Kapitulationsvereinbarung widerrief wenige Tage später Napoleon persönlich: „er könne keinen Mann gebrauchen, der seinen Herren verraten hat“.
Da die eigenen Soldaten gegen Ingerslebens Kapitulation rebellierten, mußte der Oberst zu seinem eigenen Schutz umgehend französische Soldaten in die Festung holen.
Friedrich Wilhelm v. Ingersleben wurde wegen seiner kampflosen Übergabe Küstrins in Preußen zum Inbegriff von Verrat, Unfähigkeit, Unehrenhaftigkeit und Feigheit, wurde verachtet und mußte fliehen. Sein weiteres Schicksal ist nebulös - von der Gesellschaft ausgestoßen und von der eigenen Frau verlassen soll er sich 1807 das Leben genommen haben.
Erst 1814 wurde Küstrin wieder von preußischen Truppen (Neumärkische Landwehr) unter Generalleutnant Johann Freiherr v. Hinrichs (1752-1834) zurückerobert.
Der Gedenkstein wurde vom Verein für die Geschichte Küstrins 1914 aus Anlaß der 100-Jahrfeier der Rückeroberung der Festung aufgestellt und ist diesem Ereignis und dem Gedenken an Leutnant Wilhelm v. Falkenhayn und seinen Soldaten vom Jahr 1806 gewidmet.
Bei den Kämpfen um Küstrin während des 2. Weltkrieges im März 1945 wurde der Stein umgestürzt, beschädigt und später vermutlich von sowjetischen Soldaten in den Odervorflutkanal geworfen. Da das Gebiet der Oderinsel bis zum Abzug der russischen Truppen 1991 Sperrgebiet der sowjetischen/russischen Garnison und nicht zugänglich war, blieb der Stein zunächst verschollen.
Erst 1993 wurde ein großes Fragment des Steins im Sediment der trockengefallenen Odervorflut gefunden und 1995 am alten Standort wieder aufgestellt.
Die Inschrift ist nur noch zum Teil erhalten. Eine neuanbrachte Tafel am Stein zeigt den ursprünglichen sowie einen erklärenden Text.
Fazit: Zusammen mit dem kleinen Denkmal „Gohrin 1807“ gleich daneben erinnert der Gedenkstein an Ereignisse regionaler Geschichte.[verkleinern]
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