Das Aufsuchen dieser Doktorin, die gut ohne diesen Titel auskommt, geschah im engen Zusammenhang mit der Katastrophe in
https://www.golocal.de/wangen/krankenhaeuser/westallgaeu-klinikum-4Qt4/bewertung/5oCh/#review
und zwar als Konsequenz der Tatsache, dass sich mein höllischer Leibarzt den Hintern bös geprellt hatte, als er von seinem Zossen abgeworfen wurde und deshalb indisponiert war. Andererseits war die Dringlichkeit infolge der fahrlässig unterlassenen Nottherapie am Vortag durch... weiterlesen den klinischen Notdienst nicht weniger geworden.
Die Entscheidung fiel mir nicht gerade leicht, denn zu diesem Zeitpunkt saß ich noch einem Vorurteil auf, das meine Holde im Zuge der Ereignisse gepflanzt und fleißig gegossen hatte: Frau Berg sei keine Ärztin für mich, sie sei herrisch und arrogant, mit ihr sei kein Auskommen. Dass Madame dasselbe auch ständig über meinen höllischen Doktor aussagte, hätte mir eigentlich in den Sinn kommen müssen. IHM bin ich seit 19 Jahren treu, eben WEIL ich mich mit ihm rumstreiten kann, wenn es um Therapie geht. Als Diagnostiker ist er einsame Klasse und wenn er mir mal stressbedingt arrogant kommt, kriegt er umgehend diesen Zahn gezogen. OHNE Narkose.
Aber es half nix durch dieses Vorurteil musste ich durch, also rief ich in der Praxis von Frau Berg an. Das Zauberwort, dass Doc Höll mein Hausarzt ist und ich ein akutes Weh habe, das ich eigentlich nicht verschleppen möchte, öffnete mir bei dem noch unbekannten Vorzimmerdrachen sämtliche Türen und schloss den Terminkalender: Ob ich denn etwa in 2 Stunden da sein könnte? Ups!!!!!
Ich war pünktlich und auch ‚gschninzt un kampelt‘, wie eine hygienische Runderneuerung hier im Allgäu heißt, der ‚Drachen‘ entpuppte sich als freundliches und für hiesige Verhältnisse recht attraktives Mädel. Die unvermeidliche Bürokratie gestaltete sich etwas umfangreicher als gewöhnlich: Sie rief bei der ‚Konkurrenz‘ an und beantragte das Faxen der dort bereits vorliegenden Befunde, dann komplimentierte sie mich direkt ins Behandlungszimmer, die Chefin käme gleich.
DIESES ‚gleich‘ entsprach in etwa dem Zeitraum, den sich Otto Normalverbraucher darunter vorstellt: Nach ein paar Minuten kam eine recht hübsche Frau in mittlerem Alter in Räuberzivil mit einem Schwung Unterlagen herein. Ihre Ausstrahlung von Dominanz war nicht zu überspüren, aber ich wollte sie ja nicht heiraten, und Selbstbewusstsein würde mir die Herablassung ersparen, der ich tags zuvor ausgeliefert gewesen war.
Als sie meine Bloßfüßigkeit bemerkte, verengten sich ihre Katzenaugen und bauten eine senkrechte Stirnfalte auf: „Sind Sie lebensmüde? Ein einziger spitzer Kiesel kann einen Diabetiker Ihres Formates ganz schnell das ganze Bein, wenn nicht das Leben kosten!“ – „Umso wichtiger, mit offenen Augen durch den Rest des Lebens zu gehen…“ – rechtfertigte ich mich halbherzig, denn DAS war auch mir klar.
Doch nun kam sie zur Sache: „Aus den Unterlagen des Kollegen Höll schließe ich, dass Sie unter einem ausgewachsenen Lymphödem leiden, was unter der aktuellen Sommerhitze höchst belastend sein kann.“ – Nun war es so weit: Ich reichte ihr den Bericht des Assistenz-Notarztes vom Vortag über den Tisch, sie las ihn durch und konstatierte lakonisch: „Menschliches Versagen, mehr gibt es dazu nicht zu bemerken. Ich kann auch nur beten, dass mein Erfahrung und der berühmte nasse Daumen des niedergelassenen Arztes der klinischen Technologie überlegen ist.“ –
„Da sind Sie nicht der erste Arzt, der das zu mir sagt, auch wenn sich Ihr Vorredner vor 20 Jahren etwas drastischer ausdrückte: ‚Wenn WIR an der Front erst anfangen zu messen, wenn ein Kunde über Bauchweh jammert, dann ist er morgen tot.‘ – Diese Ansage hat mich tief beeindruckt.“ – „Sie trifft ja auch immer noch den Nagel auf den Kopf. Aber was ich JETZT mit Ihnen mache, wird Ihnen wohl nicht besonders gefallen, schon wegen der herrschenden Temperaturen: Sie kriegen von mir stramme Wadenwickel verpasst, das Gewebewasser muss um jeden Preis nach oben gepresst werden. Und sie müssen laufen, laufen, laufen! Denn was kaum jemand weiß, der Rücklauf des verbrauchten Blutes wird nicht vom Herz veranlasst, dessen Saugleistung eng begrenzt ist, dafür ist die frisch versorgte Muskulatur zuständig.
Um den Kreislauf in den Beinen in Bewegung zu halten müssen Sie entweder liegen oder laufen. Und von mir kriegen Sie jetzt das Zubehör für besagte Wadenwickel plus eine Verordnung für das korrekte Anlegen und Abwickeln der Beine durch einen mobilen Mitarbeiter einer Sozialstation. Sehen Sie zu, dass sie damit so bald wie möglich beginnen können!“
Eine tolle Frau und eine Ärztin nach meinem Herzen: Offen, ehrlich, gesprächsbereit und dennoch bestimmt. Was nützt mir ein väterliches Seelenstreicheln als Tarnung für ‚Ich habe ja auch keine Ahnung‘ und folglich nur behutsames Therapieren von Eskalationen. Mein Hausarzt, der mich seit mittlerweile 19 Jahren kennt und weiß, dass ich einiges aushalte, tut es nie unter der stärksten Medizin aus seiner Gruschtkiste und verlässt sich darauf, dass ich sie ihm bei Auftreten massiver unerwünschter Nebenwirkungen prompt um die Ohren haue. SO geht Medizin nach meinem Herzen.
Dass es im Anschluss an diese seelisch aufbauende Konsultation nicht annähernd so flott weiterging, wie sie es angedacht haben mochte, hat sie meiner Ansicht nach nicht zu verantworten, deshalb gibt es von mir ein ‚Sehr zu empfehlen‘ bevor die Geschichte mit der Bewertung des Zubehörlieferanten, einer kleinen Familienapotheke ‚ums Eck‘ fortgesetzt wird.[verkleinern]