Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich verschiedene historische "Zeugnisse" beurteilt werden: eine sehr vernachlässigte religiöse Stätte an der einen Seite und dieser Baum an der anderen. Zwei Orte, die kaum unterschiedlicher wahrgenommen wurden: nur wenige Meter von einander entfernt und dennoch trennen sie "Welten", die in Jahrhunderten ausgedrückt werden können und vor allem in der Außendarstellung. Hier war es sogar eine Tafel wert, auf der man die Details zu finden sind, die ich in... weiterlesen
diesem Beitrag zusammengetragen habe. Wenn man den historischen Stadtkern Kalkers ansteuert, kann man die sog. "Gerichtslinde" nicht verfehlen, weil sie auf dem Marktplatz zu finden ist. Bei der zuvor erwähnten Stätte fehlt hingegen jeglicher Verweis. Das macht mich, wie ich an passender Stelle geschrieben habe, sehr traurig. Das nur am Rande erwähnt...
Was könnte dieser uralte Baum erzählen, wenn er reden könnte... Gepflanzt wurde es zu einer Zeit, als es drum ging, sich für eine der christlichen Religionen zu entscheiden (oder durch den Landesherrn gewähren lassen), die fortan das ganze Leben bestimmen sollte. Man schrieb das Jahr 1545, als eine kleine Linde der Stadt geschenkt worden ist durch den "Nachbar", der heutzutage in Bedburg-Hau in dessen Stadtteil Qualburg (KEIN Scherz!) zu finden war. Man findet einen Vermerk in dem hiesigen Archiv, weil diese "gute Gabe" mit hohen Kosten für den Transport und Fachpersonal verbunden gewesen ist! Das ganze soll (nach langen Recherchen) einen Gegenwert eines (recht kleinen, einfachen) BauernHauses / Stalls besessen haben! Das entsprach einem Wintervorrat an Holz (ca. 20 "Klafter"= 38 m²) Brennmaterial! Falls es nicht der Wahrheit entsprechen sollte und der Gegenwert von 18 "Albus" (ca. 2,5 Goldgulden / Florin) etwas anders ausfällt, als beschrieben, wird es dementsprechend geändert! Da möchte ich mich nicht drauf "versteifen"...
Jedenfalls handelte es sich bei dem Baum um einen, der ca. 1-2 Jahre alt gewesen war, als er an seiner jetzigen Stelle eingepflanzt worden ist. Der Name "Gerichtslinde" kam aber erst später. Dort wurden Urteile getroffen, die über den Los der Personen entschieden, die sich vor dem Gericht eingefunden haben. Es bestand aus dem Richter und 7 Schöffen, wie man es in dem hiesigem Archiv (leider meistens zu :-( - auch zu den "offiziellen" Öffnungszeiten) nachlesen kann. Dort im Freien wurden zum Teil, aus heutiger Sicht jedenfalls, sehr strenge Strafen verhängt, die von einer Geldbuße, Auspeitschen, bis zum Mord durch Rädern oder Enthauptung führen konnte.
Ein Lindenbaum kann, so wie ich es gelesen habe, bis zu Tausend Jahre alt werden, doch bei dieser wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass es das "beste" wäre sie abzuholzen. Auch, wenn es auf den Fotos danach aussieht, dass es noch sehr viele Jahrhunderte bestand haben könnte, ist es nur ein Trugschluss! Sie wurde bereits mehrmals in den vergangenen ca. 300 Jahren von Blitz und auch durch die Einwirkungen des Krieges zerstört. Es sind nicht nur die Naturkräfte, die sie an ihrem Standplatz festhalten.
Wenn man sich das Innere des unter Naturdenkmalschutz stehenden Baum anschaut, wird man feststellen, dass es innen ganz hohl ist, weil es durch ein Brand, der dort gewütet hatte, nur noch der äußere Kern, sowie einige neuere Triebe wacker den äußeren Bedingungen trotzen. Damit eine gewisse Stabilität gewährleistet ist, wurden zusätzliche metallene Stangen verankert, die das ganze festhalten. Das war laut einem Gutachten mehr als notwendig gewesen. Eigentlich sprachen sich viele der Lokalpolitiker 1971 dagegen, dass sie weiterhin bestand haben soll.
Zu dem Zeitpunkt nahm man bereits an, dass es sich nur noch um einen Baumstumpf handelt, der so gut wie "ausgedient" hatte. Stattdessen wurden Erwägungen gemacht, ob es nicht sinnvoll wäre, neue (Nadel)Hölzer an der Stelle zu platzieren. Wie man aber sehen kann, hatte dieses Vorhaben keinen Erfolg gehabt. Durch den örtlichen Forstsachverständigen wurde in den 1970-er Jahren festgestellt, dass nicht alles in Ordnung sei, doch durch bestimmte baumpflegerische Maßnahmen sich einiges (zum Teil) in eine positive Richtung ändern läßt.
Die fachspezifische Erläuterung, die hier folgen könnte, erspare ich mir, denn diese verstehe ich selbst nicht und es an der Stelle wörtlich zu Zitieren, ist meine Sache nicht! Jedenfalls es gab noch eine (weitere) Chance für die Gerichtslinde.
Eigentlich, wenn es nach den Eingriffen, die seitdem 18. Jahrhundert mehrmals unternommen wurden, sollte es in "schöne Linde" umbenennt werden. Ein Dichter hat ihr sogar ein (mir unbekanntes) Gedicht verfasst, der das Baum als eine "burgundische Prinzessin" anpries. Sicherlich heute kann davon keine Rede mehr sein...
Ein Baum bildete in den früheren Jahrhunderten die Mitte eines Ortes, was es in Niederrheinischem Kalkar auch noch heute der Fall ist. Andererseits ist es ein Zeugnis, dem man seine bewegte Vergangenheit auch genau ansieht. Wenn das Wetter auch noch stimmen sollte, kann man sich auf einer der Parkbänke, die drum herum angebracht worden sind in ihrem Schatten sitzen. Man darf sich aber nicht darüber wundert, wie es in ihrem Inneren aussieht - nicht wirklich so aus, wie man sich eine alte "Lady" vorstellt. Es ist nicht nur ihr "Korsett", der mich stört, sondern auch der Müll im Inneren, der das ganze zusätzlich verschandelt.
Die Umweltbehörde als Kategorie habe ich bewußt ausgewählt, denn sie ist nicht nur ihre "Wächterin", sondern auch eine Schirmherrin zugleich. Durch die Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv ist es möglich gewesen, die Details vor Ort zu erfahren, die ich hier zusammengetragen habe. Es ist ein besonderes Zeugnis, der mich schon bewegt, doch aber auch nachdenklich macht, welche Mittel aufgewendet wurden, um das aufrecht zu erhalten, was auf dem Marktplatz zu sehen ist. Da ich nicht all zu hart diesbezüglich sein möchte, erscheinen mir hier 3 Sterne angemessen, auch wenn andere nicht meine Ansicht teilen müssen...[verkleinern]