“In-Restaurant” – “Geniale Küche” – “tolle Lage” – “mußt Du hin” – “Superkoch” – “Traumterrasse” - und (ganz neu): "Sterneküche"
die Liste der on dits ließe sich endlos fortsetzen. Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung, als wir uns endlich in netter Gesellschaft nach Horben aufmachten. Mein letzter Besuch liegt über 20 Jahre zurück, als der Raben unter Herrn Brodmann als einfache Dorfgaststätte für seine deftigen Gerichte und die vorsintflutliche Kaffeemaschine auf der Theke bekannt... weiterlesen war.
Das historische Gebäude liegt mitten im Ort und wurde liebevoll außen und innen saniert. Die alte Gaststube wurde einschließlich des Kaminofens erhalten und behutsam erweitert. Im Seitenflügel beeindruckt ein hoher Kaminsaal (in dem auch heuer eine Hochzeitsfeier stattfand…), an den sich die wirklich schöne, wetterbedingt aber nicht genutzte Außenterrasse anschließt. Eine Location mit hohem Wohlfühlfaktor!
Sehr aufmerksames Personal, das allerdings die Getränke sehr nachdrücklich nachschenkte. An der Weinkarte fiel auf, dass der Anteil an offenen Weinen sehr dürftig ausfiel, gerade bei Fünf-Gänge-Menus ist die Möglichkeit eines Rückgriffs auf ein offenes Glas durchaus wünschenswert.
Ach ja, die Menus! Die Karte bietet davon gleich mehrere, bei denen man Up- oder Downgraden kann. Eine sehr reizvolle Variante, die Küche ist natürlich auch für andere Varianten zu haben. Der kleingedruckte Preis für die Einzelkomponenten hat allerdings Spitzenniveau.
Womit wir wieder bei der Erwartungshaltung wären. Eine gute Karte sollte bereits beim Lesen inspirieren und Appetit auf das Kommende machen. Hier stach jedoch auch bei der dritten Durchsicht nichts derart ins Auge, dass einem die Wahl leicht gefallen wäre. Das duchaus gehobene Angebot enthält die üblichen Verdächtigen, bleibt aber höhepunktlos.
“Zweierlei Thunfisch” blieb mir als Vorspeise bei einer zu treffenden Negativauswahl: Ein Sushi-großes Scheibchen roher Thun und ein gegartes Hackfischbällchen. Die Avocadocreme dazu unauffällig, ein handwerklich perfekt gerolltes Karottenstreifchen als Augenschmaus ist überflüssig.
“Rinderfilet auf Schwarzwurzelgemüse mit Gröschtl und Kräutergnocchi” oder so… war meine Wahl des Hauptganges. Irgendein Exil-Russe gehörte auch noch zum Namen, war aber gottlob nicht auf dem Teller. Eine hervorragende Qualität der eingesetzten Waren darf man hier zurecht erwarten, das Filet war makellos, aber deutlich unterdimensioniert. Gröschtl, also geröstete Kalbsbäckchenwürfel und die Schwarzwurzeln waren in der über alle Teller sehr einheitlich empfundenen Sauce ertränkt, von fünf (5) Gnocchi wird nun auch der diätgestählte Gast nicht satt.
Auch der Rest der Gruppe hatte heuer keine kulinarischen Höhepunkte zu vermelden, einzig der Saibling auf Risotto als Zwischengang vermochte zu überzeugen.
Was blieb, war eine enttäuschte kulinarische Erwartung an einem netten Abend in sehr schöner Atmosphäre. Schade! Aber im Sommer testen wir die Terrasse – auf ein Neues!
Wie oben schon kurz angerissen ist jetzt auch der Anlaß dazu gegeben: Der Raben wurde in den erlesenen Kreis der Sterneküchen aufgenommen. Erfahrungsgemäß schlägt sich das ja zunächst auf der rechten Seite der Speisekarte nieder, aber vielleicht finden wir jetzt ja auch links die zuletzt vermissten Höhepunkte. Der Michelin-Gegentest hier auf golocal folgt![verkleinern]