Ich kann es mir bildlich vorstellen… Ein lauer Sommertag in der Toskana. Leichter Wind wiegt das hoch stehende Gras, der würzige Duft von Rosmarin und Thymian liegt in der Luft. Auf dem Weg vor dem Gutshof wird das Zirpen der Grillen vom Trappeln von Pferdehufen übertönt.
Der Weg, der vor den Reisenden liegt, ist weit. Ihre wertvollsten Besitztümer haben sie auf die Karren geladen. Noch ein letzter Blick zurück, dann beginnt die endlose Reise. Immer nordwärts, fort von den warmen Gefilden,... weiterlesen durch die hohen Berge bis nach Obergermanien…
Ortswechsel. Willkommen in Hechingen Stein. Hier, auf den Magerwiesen an einem Hang nahe dem Hechinger Ortsteil Stein haben sie sich niedergelassen. Der Wechsel muss ein Schock gewesen sein. Dunkler Wald umrahmt die riesige Landvilla, die man hier besichtigen kann. Dass das Leben hier wenig friedlich und kein Zuckerschlecken war, lässt sich schon an der Einfriedung des Geländes ablesen… über drei Meter hoch soll die Mauer gewesen sein, die das Grundstück umgibt.
In den 70er Jahren begann man hier mit den Ausgrabungen und förderte nach und nach immer mehr Teile der Villa Rustica zu Tage. Alleine das Haupthaus, das inzwischen teilweise rekonstruiert wurde, hat 22 Zimmer. Drei davon waren mit römischen Fußbodenheizungen (Hypokaustum) ausgestatte und waren daher auch in den wenig freundlichen Hechinger Wintern warm. Das einstmals mediterran-offen rekonstruierte Atrium des Haupthauses war vermutlich doch eher überdacht.
In den rekonstruierten Räumlichkeiten lassen sich Funde bewundern, die während der Ausgrabungen gemacht wurden. Essgeschirr (noble Terra sigillata – schließlich war das ein Herrenhaus!), Töpfe, Schnallen, Fibeln und vieles mehr haben sich hier prächtig erhalten.
Ein Säulengang verbindet das Haupthaus mit einem eigenen Badehaus samt Mehrplatz-Latrine. Auch hier gibt es eine Fußbodenheizung. Nein, natürlich nicht in der Latrine, sondern im Badehaus, das wohl sonst im wenig sonnenverwöhnten Hechingen ein wenig kühl temperiert gewesen wäre.
Zahlreiche Nebengebäude wie z.B. Lagerhäuser, ein eigener Tempelbezirk mit Miniaturkapellen, das Haus des Schmieds und ein putziger Eckturm, rahmen das Gelände ein. Besonders der bewohnte Eckturm hat mir auch imponiert. Das Gebäude war Teil der Grundstücksmauer. Klopfte also der Feind wenig freundlich an die Türe, klopfte er dem armen Turmbewohner quasi direkt an die Schlafzimmerwand. Vermutlich war das die Wohnstatt für diejenigen, die beim Würfelspiel verloren haben.
Über die Bewohner ist bis heute nichts bekannt. Keine Inschrift verrät ihre Namen, keiner weiß, wer sie waren. Die unfreundlichen alemannischen Nachbarn bereiteten den Bewohner wohl ein grausiges Ende. Sie überrannten im 3. Jahrhundert nach Christus das Anwesen, brannten die Häuser nieder und ließen wohl auch bei den Bewohnern keine Gnade walten.
Ein eilig vergrabener Bronzekessel gefüllt mit wertvollen Metallresten erzählt vom Versuch der Bewohner, ihr Habe zu retten. Sie kamen jedoch nie mehr wieder, um ihren Schatz zu bergen. So ist der Kessel bis heute in der Sammlung ausgestellt. Samt seines sorgsam entfernten und konservierten Inhalts.
Insgesamt ein schönes Gelände mit anschaulichen Rekonstruktionen und einigen Dioramen. Die erklärenden Täfele sind gut gemacht und sehr verständlich. Kinder können als kleines Gimmick zwischen den Exponaten versteckte Siebenschläfer-Bildchen suchen und taten das auch mit großer Begeisterung. Ein kleines Café lädt zum Verweilen bei herrlicher Aussicht ein. Der Eintrittspreis beträgt fünf Euro für Erwachsene. Barrierefrei ist das Gelände leider nicht.
Vier Sterne![verkleinern]