Schulausflug ins KZ Neuengamme.
Parken kann man nur an der Straße, das bemerkte ich sofort, und dass sie Straße auch ziemlich eng ist, sah ich auch gleich. Ob man woanders besser parken kann, weiß ich nicht, denn der Bus fuhr uns direkt vor den Eingang und holte uns dort auch wieder ab.
Wir betraten sogleich einen großen Platz, an dem mehrere Häuser stehen. Zwischen zwei großen Häusern waren kleine Steinwände platziert. Diese Steinwände stellen den Grundriss der ehemaligen Baracken dar, wo... weiterlesen die Inhaftierten unter grausamen Umständen schliefen. Aber nochmal zum Platz hinter dem Eingang zurück. Das ist der sogenannte Appellplatz, wo die Häftlinge morgens und abends durchgezählt wurden. Währenddessen durften sie sich nicht bewegen und wenn mal ein Inhaftierter nicht erschien, so wurde das gesamte Areal durchkämmt. Währenddessen mussten die anderen Personen still auf dem Appellplatz stehen bleiben. Man sieht, Kollektivstrafen waren an der Tagesordnung, wozu ich später noch mehr berichten werde. Wenn einer vom Appellplatz weglaufen wollte, wurde er sofort erschossen.
Auf besagtem Appellplatz lernten wir unsere Guidin kennen, die gleich nett und sympathisch wirkte und sogleich Fragen zum gesamten Konzentrationslager beantworten konnte.
Da wir eine angemeldete Schulklasse waren, hatte unsere Guidin ein paar Aktivitäten vorbereitet. Jetzt gingen wir in eine Nische mit einigen Sitzgelegenheiten, wo wir Fragen stellen sollten. So erfuhr ich, dass obwohl Neuengamme kein Vernichtungslager wie Auschwitz war, ungefähr 35-45 tausend Menschen ihr Leben verloren. Und das nicht nur durch Mord durch die SS, sondern auch durch die belastende Arbeit und gegebenenfalls durch Folter.
Dann breitete unsere Guidin ein paar Bilder auf dem Fußboden aus. Auf diesen Bildern waren Soldaten zu sehen, Inhaftierte Menschen, Hinrichtungen,.... Nun sollte jeder sich ein Bild aussuchen, von dem er sich angesprochen fühlt. Etwas ziellos schaute ich mir die Bilder an, bis ich eins sah, was mich sofort nachdenklich stimmte. Drauf zusehen waren mehrere Leichen, die von (meiner Vermutung nach) SS-Offizieren in den Ofen des Krematoriums gebracht wurden. Diese Äußerung tat ich kund und die Guidin erklärte: ,,Alle Arbeiten hier im KZ mussten von den Häftlingen selbst gemacht werden. Dazu zählt das Bauen der Häuser, das Verfrachten von Leichen ins Krematorium und auch die Küche wurde von Häftlingen betrieben. Unter den Häftlingen gibt es nämlich eine Art Hierarchie, also besser und schlechter gestellte Inhaftierte. Die besser gestellten hatten einfachere Aufgaben zu erledigen und sie wurden nicht so schnell bestraft wie die anderen, denn alle Häftlinge waren der Willkür der SS-Offiziere schutzlos ausgeliefert. Darüber hinaus können auch die höheren Gefangenen die Inhaftierten mit niedrigem Status bestrafen." Das musste ich erst einmal verdauen. Häftlinge, die für die SS arbeiten, Leichen verbrennen und und und...
Als nächstes sollten wir uns mit Biographien beschäftigen. Dazu gingen wir in den ersten Stock des Ausstellungsgebäudes in einen Raum. Wir durften uns Biographien aussuchen und die wichtigsten Infos rausschreiben. Ich entschied mich für Miloš P. aus Slowenien, dessen Vater zuerst wegen öffentlicher Nazikritik inhaftiert wurde. Dann sollten Hakenkreuz-Flaggen anlässlich Hitlers Geburtstag aufgehängt werden. Miloš' Mutter weigerte sich jedoch welche aufzuhängen, wenn nicht ihr Mann nach Hause käme. Dann wurde die Mutter deportiert, weil sie ,,gegen das Dritte Reich" und damit politisch Andersdenkende sind. Miloš hingegen wurde wegen Mitgliedschaft in einer Befreiergruppe deportiert. In Neuengamme fand dann die Familienzusammenführung statt.
Da alle das erst einmal schlucken mussten, bekamen wir eine Viertelstunde Pause, in der ich erstmal die Toiletten inspizierte und für sauber befand.
Nach der Pause bekamen wir freie Zeit, in der wir uns die komplette Ausstellung ansehen sollten. Ich begann im Erdgeschoss und arbeitete mich langsam hoch. Jeden einzelnen Raum kann ich hier nicht beschreiben, dann säße ich morgen noch dabei.
Bemerkenswert ist aber das Modell der gesamten Anlage, die im Erdgeschoss steht. Neben den Unterkünften der Inhaftierten sah man die Unterkünfte der SS-Offiziere sowie deren Garagen. Zusätzlich sah man die KZ-Gärtnerei, den Haftbahnhof, das Krematorium und das Gebäude, wo die Firma Walther mit Inhaftierten via Zwangsarbeit ihre Waffen hergestellt haben.
Im Obergeschoss sind neben den Biographien mehrere Räume, einer zeigt, wie diese Holzbaracken von außen ausgesehen hat. Zusätzlich wurden persönliche Gegenstände von Häftlingen gezeigt, diese wurden nämlich abgenommen und auch die Haare wurden jedem Häftling abgeschnitten. Natürlich können die Männer und Frauen dort nicht nackt laufen, es gibt nämlich eine blau-weiß gestreifte Uniform, die aus einer Mütze, einem Hemd und einer Hose besteht. Die Damen haben dies als Kleid. Darauf befanden sich farbige Dreiecke, die jedem zeigen, ob der Gefangene ein Jude, Homosexueller, Krimineller oder politischer Gefangener ist. Dort im Raum werden auch die Außenlager von Neuengamme aufgezeigt. Viele davon befinden sich selbst in Hamburg, andere nördlich, andere südlich davon. Eins ist bei mir in der Region, nämlich das Außenlager Lütjenburg-Hohwacht.
Im nächsten Raum steht, dass das KZ Neuengamme durch das Deutsche Rote Kreuz befreit wurde. Durch diesen Raum bin ich allerdings nur im Laufschritt gegangen, weil ich zurück zum Treffpunkt musste.
Nun ging es zu einer Schlenderei über das Gelände. Zuerst ging es an die Grundmauern vom ehemaligen ,,Strafblock", wo Häftlinge eingesperrt wurden, wenn ein SS-Mann das so wollte. Die Zellen sind dort sehr klein, sie messen 3 Meter Länge und 1,50 Meter Breite. Der Häftling kann wirklich was gemacht haben, aber auch durch die Willkür eines SS-Mannes dort gelandet sein. Zum Beispiel: Wenn ein Häftling einen SS-Offizier sah, musste er sich verbeugen, die Mütze auf die Knie schlagen und durfte ihn nicht ansehen. Wenn der SS-Mann behauptete, der Häftling habe sich nicht schnell genug verbeugt oder ihn angesehen, konnte der Inhaftierte in den Strafblock kommen, selbst wenn der Häftling alles korrekt ausgeführt hat.
Gaskammern gab es in Neuengamme keine, allerdings wurde der bereits erwähnte Strafblock zu einer ,,Ab-und-an-Gaskammer" umfunktioniert, das heißt, es wurden Vorrichtungen eingebaut, mit denen man das tödliche Zyklon B in die Räume des Strafblocks leiten und so die Menschen vergasten. Dies geschah allerdings nur an zwei Tagen während des Betriebs als KZ.
In einem Haus in Sichtweite des Strafblocks hatte die Firma Walther eine Niederlassung, wo Inhaftierte und Mitarbeiter gleichermaßen arbeiteten. SS-Männer arbeiteten hier nicht oder führten nur Kontrollgänge durch.
Wir gingen weiter zum Krematorium. Oder genauer gesagt zu dem, was vom Krematorium noch übrig ist. Das ist nämlich nur eine Platte, auf der ein Gedenkstein liegt. Auf besagtem Gedenkstein hat man, gemäß jüdischer Tradition, Steine statt Blumen niedergelegt. Im Krematorium wurden die Leichen der Häftlinge nebeneinander hingelegt und verbrannt. Das mussten allerdings auch die Häftlinge übernehmen.
Vorher, als Neuengamme noch Außenlager vom KZ Sachsenhausen war und viel weniger Häftlinge hatte, gab es das Krematorium noch nicht. Da wurde ein Hamburger Bestatter gerufen, der die Leichen mitnahm und sie bestattete. Dies wurde mit der Zeit zu aufwändig und man baute das Krematorium, wo die Leichen ausnahmslos verbrannt wurden. Angehörige konnten die dabei entstandene Asche gegen Gebühr mitnehmen, allerdings war nie klar, wessen Asche man mitnahm. Denn das wurde nie überprüft.
Von da aus gingen wir zu den Garagen der SS-Männern. Autos aus vergangenen Tagen kann man dort nicht ansehen, wohl aber die Geschichten des KZs, vor allem über die Zeit direkt danach. Das KZ wurde danach nämlich als normales Gefängnis benutzt und es wurden mehrere Gebäude, wie die Holzbaracken (Unterkünfte der Inhaftierten), abgerissen. Auch wurde über die Pensionierung der SS-Offiziere gesprochen. Sie konnten, aufgrund ihres öffentlichen Verdiensten die Pension eines Beamten erlangen. Den Überlebenden geht es genau so, die müssen es jedoch einklagen, was von Überlebenden und Angehörigen gleichermaßen als Demütigung wahrgenommen wurde.
Und weiter ging es, ans Hafenbecken. Dort wurde, für den Export der im Arbeitslager gefertigten Gegenstände, aus einem kleinen Fluss ein befahrbarer Hafen gebaut, natürlich von Häftlingen. Dies geschah unter so schrecklichen Bedingungen, dass man vom ,,Todeskommando" sprach. Inhaftierte, die dort arbeiteten, überlebten in der Regel nicht mehr als zwei Wochen.
Vom Hafenbecken aus ist es nur ein Steinwurf zur ehemaligen Ziegelei. Einer der drei Flügel ist öffentlich zugänglich gemacht worden. Dort befindet sich nichts besonderes drin, für uns hatte man jedoch Stühle hingestellt, wo wir über die Arbeitskommandos sprachen. Auch hier wieder, untergeordneter oder übergeordneter Häftling, hier wurden auch Unterschiede gemacht. Die höheren Gefangenen und intelligenten bekamen Arbeit in der Ziegelei, wo sie mithilfe von Maschinen Ziegel aus Lehm brannten. Den Lehm beschafften die Gefangenen niedrigen Grades, sie gruben vor der Ziegelei nach Lehm und brachten es in die mehrfach erwähnte Ziegelei. Als unbeliebteste Arbeit galt der Bau des Hafenbeckens, denn da starben reihenweise Menschen. Ist ein Häftling ums Leben gekommen, wurde er einfach durch einen anderen oder neuen Häftling ersetzt.
Ein paar hundert Meter gingen wir durch den Wald zum Haus des Gedenkens mit Mahnmal und Skulptur. An die Skulptur bin ich aus Zeitgründen nicht gegangen, wohl aber ins Haus des Gedenkens. Im Erdgeschoss, rechts hinter dem Eingang, liegen unter schwarzen Tüchern Bücher der SS-Offiziere, wo Häftling und Nummer draufstehen. Die Nummer bekam ein jeder Häftling auf den Arm tätowiert.
Über ein paar Stufen gelangt man auf die Galerie, wo etliche Namen von Gestorbenen auf Listen an der Wand stehen. Da sieht man, wie viel Menschen ermordet oder durch schlechte Lebensumstände gestorben sind. Ich habe mir nicht mal alle Listen angesehen, denn beim Anblick der Namen wurde mir schwindelig.
Ich ging dort noch einmal auf die saubere Toilette und danach zum Bus zurück nach Hause.
Das KZ Neuengamme ist für Besucher geöffnet. Der Eintritt ist frei, es kostet nur eine Führung und Snacks in der Cafeteria. Eine komplette Mahlzeit kann man dort jedoch nicht einnehmen. Das Ausstellungsgebäude und der Rest der Anlage ist bis auf das Haus des Gedenkens durch Rampen und Aufzüge barrierefrei gemacht.
Fazit: Die Sternevergabe fällt mir hier schwer. Sollte ich die Taten von damals bewerten, bekäme es laut golocal Richtlinien nur einen Stern. Da aber mit viel Liebe zum Detail ein Ort der Erinnerung hergerichtet hat, der auf sympathische Weise von der damaligen Zeit im KZ berichtet, vergebe ich hier doch die Höchstnote.
So etwas darf sich nie wiederholen![verkleinern]