Als Jugendliche habe ich jedes mal, wenn ich in Essen Steele zur dortigen Bahn gebracht wurde, gefragt, welche Bewandtnis es mit dem Gebäude, das mit einer barocken Haube "gekrönt" wurde, auf sich hat? Es war ein Thema, das meistens in den vielen Jahrzehnten nie beantwortet wurde.
Irgendwann, da ich wußte, dass meine Verwandte auch Bücher gerne mag, habe ich ihr ein tolles Bildband geschenkt. Dort waren alle Kirchen (unabhängig vom Alter) im Stadtgebiet von Essen, mit vielen Einträgen dazu,... weiterlesen zu finden waren, beschrieben. Dort habe ich auch den passenden Eintrag darüber gefunden. Erneut hackte ich nach, ob es nicht doch eine Möglichkeit geben könnte, wenigstens einmal rein zu schauen, falls es möglich sein sollte.
Erneut eine Enttäuschung, es hieß auch, nachdem ich schon längst das Erwachsenenalter (und weit darüber hinaus) erreicht habe. Entweder stand es gar nicht zu Besichtigung frei, da es gar nicht genutzt wird oder etliche Jahre später, dass es wegen Restaurierungsarbeiten bis auf weiteres gar nicht zugängig ist. Ein weiter, sehnsuchtsvoller Blick von der nahen Haltestelle musste da reichen. Anscheinend sollte ich mich damit "abfinden". Die Jahrzehnte verstrichen und an der Tatsache änderte sich gar nichts. An ein Stoßgebet habe ich erst gar nicht gedacht, vielleicht wäre der, wie es sich inzwischen herausgestellt hatte, gar nicht so verkehrt gewesen, denn es handelt sich bei dem Bau um eine Kapelle!
Das habe ich erst vor wenigen Monaten in Erfahrung bringen können. Sie ist ein Verweis in eine längst vergangene Zeit, als Essen eine Äbtissin besessen hatte und diese zufällig auch den Namen Fürstin Franziska Christine hieß. Nach ihr ist auch diese Kapelle benannt, wo sie vor dem Altar auch ihre letzte Ruhestätte fand. Das besondere daran ist, dass sie zu einem Gebäudekomplex gehört, der bei der Gründung als ein Waisenhaus in Form einer Stiftung errichtet worden ist.
Eines schönen Sonntagmorgens im Sommer, als ich viel zu früh in diesem Stadtteil angenommen war und doch Glocken aus einer anderen Richtung läuten hörte, als es sonst der Fall ist. So neugierig, wie ich bin, ging ich dem ganzen auch nach, denn man kann es ja nie wissen. Es zeigte sich, dass tatsächlich ein Gottesdienst stattfinden sollte. Doch, was mich stutzig machte, dass die Eingangstür verschlossen gewesen ist! Wie passt das denn zusammen... da musste ich doch nachlesen, was auf dem Zettel zu lesen ist, der dort angebracht wurde.
Es hieß, dass man in den "Garten" kommen soll, weil es dort im Freien stattfinden sollte. Irgendwo dazwischen gab es eine weitere Tür, die ich (als Aufforderung sehend) dann auch betreten habe. Dort schaute ich mich um... doch die eigentliche Kapelle war es nicht! Die erste Person, die mir über den "Weg" lief, fragte ich nach, ob es möglich wäre, dass ich mich umschauen könnte. Zum Glück gab es keinen Einwand, warum es nicht gehen sollte.
Der Fürstin-Franziska-Christine-Kapelle sieht man, auch wenn es drinnen sehr dunkel sein kann, die Kunstepoche an, in der sie gestaltet worden ist. Im Gegensatz zu den anderen Gotteshäusern des Rokoko, die ich kenne, wirkt das ganze nicht so überladen aus. Im wesentlichen sind es die Altäre, die dem Raum ihre besondere Ausstrahlung verleihen. Daneben gibt es nur noch die wenigen Putten, die oben auf den Beichtstühlen angebracht worden sind.
Der Sonntag war einer jener seltenen Tagen, an denen es schon früh morgens recht heiß gewesen ist, da war ich froh, dass es hier drinnen die Temperatur um einige Grad kühler gewesen ist, als es draußen der Fall gewesen ist. Das habe ich auch ausgenutzt, sodass ich erst eine weile mich in einer der Bänke sitzen wollte. Von dort aus konnte ich das Innere auf mich wirken lassen, so beeindruckt war ich von dem ganzen!
Auf dem Hauptaltar ist Maria "Immakulata" auf einer Weltkugel zu sehen und sie selbst zertritt eine Schlange. Zu ihren beiden Seiten stehen Engel, doch zu weiteren Details kann ich keine weiteren Angaben machen. Oben drüber gibt es aber, wie bei den anderen beiden auch, einen Aufbau aus Holz, in Form eines Sonnenstrahlemblems mit jeweils anderen Darstellungen. Bei diesem ist es das durchbohrte Herz mit einem Dolch. Es ist das einzige Altar, wo dort zusätzliche Dekoelemente angebracht worden sind. Dabei handelt es sich um kleine Vasen mit Blumen, die ebenfalls aus Holz hergestellt worden sind.
Das ganze wird von Säulen eingerahmt und zu beiden Seiten stehen Heiligenfiguren. Zu linker Hand gibt es eine heilige Nonne aus dem Adel, die nicht, wie ich für die Elisabeth von Thüringen (bzw. Ungarn) gehalten habe, sondern es ist Hl. Franziska. Auf der anderen Seite steht die andere Namensgeberin die Hl. Christina. Im Gegensatz zu dem Rest wurden diese aus Marmor gefertigt.
Zu den beiden männlichen Heiligen kann ich aber keine Angaben machen, weil die Fotos (natürlich ohne Blitz) leider nicht so dolle geworden sind. Auch dort gibt es an den Seiten Figuren, doch diese sind wesentlich kleiner, als die eben beschriebenen. Es handelt sich um kleine Holzputten, die unterschiedlich aussehen. Beide Altäre wurden von einem Schüler des aus dem Münster stammendem Architekten Konrad Schlauen - des Meisters Joseph Feil, die er aber erst fast ein Jahrzehnt später angefertigt hatte. genau genommen wurden sie 1774 ihrer Bestimmung übergeben.
Auf dem anderen Ende des Raums gibt es eine Barockorgel und auf der Empore wurde das Wappen von der Fürstin angebracht, die den Bau finanziell erst möglich machte. Erstaunlich ist, dass der bis heute existierende Stift seit seiner Einweihung als Waisenhaus im Jahr 1769 und erstem Gottesdienst in der Kapelle ein Jahr später, ihr Aussehen nicht verändert hatte. Trotz des scheinbar kleinen Raums misst dieser 22X12 Meter, was ich selbst vor Ort gar nicht geahnt hätte.
Auf der hier verlinkten Seite habe ich gelesen, dass es unter bestimmten Voraussetzungen die Kapelle auch für private Anläße gemietet werden kann. Da ich diesbezüglich keine weitere Angaben machen kann, bitte bei Interesse an sie direkt wenden.
Trotz aller Bemühungen konnte ich keine verlässliche Antwort auf die hier geltenden Öffnungszeiten finden. Jedenfalls das mit der Messe war eine Ausnahme gewesen, denn auch wenn ich in den letzten Monaten mehrmals in den Pfarrnachrichten der benachbarten katholischen Kirche nachgeschaut habe, war kein Verweis auf die Kapelle drin zu finden :-(.
Nun kennt ihr einen weiteren Favorit von mir, der aus meiner Sicht kein weißer Fleck bleiben darf, auch wenn es scheint, dass ich ausgesprochenes Glück gehabt habe, es überhaupt rein schauen zu können. Eine Vorstellung fand ich dennoch sinnvoll![verkleinern]