Schoko-Nostalgie
Viel hat sich getan im ersten Jahrhundertviertel seit Y2K - in der Welt, im Lebensmittel-Universum und im Schokoladen-Kosmos. Im Jahr 2000 waren Fairtrade-Süßwaren Nischenprodukte, bean-to-bar kannte niemand, und über Salzkaramell hätte man die Nase gerümpft. Damals war die gute alte Schokoladenwelt des 19. Jahrhunderts, als die meisten deutschen Traditionsmarken entstanden, noch in Ordnung. Auch beim Bremer Chocolatier Hachez, der 1990 sein hundertjähriges Firmenjubiläum... weiterlesen feierte.
In diesem Jahr lernte ich Hachez richtig schätzen. Natürlich kannte ich seit meiner Kindheit die "Hauchzarten Blätter" zum Verzieren von hausgemachten Desserts und Torten, und selbstverständlich hatte ich bei einem Bremen-Besuch im Hachez-Laden am Marktplatz mit den Stadtmusikanten verzierte Packungen als Mitbringsel erstanden. Doch erst die "Jubiläumsschokolade" weckte in mir richtig Begeisterung, denn als dunkle Milchschokolade mit 55% Kakaoanteil entsprach sie genau meinem Geschmack, außerdem war sie durch hervorragende Conchierung von allerzartestem Schmelz. Lange Jahre gönnte ich mir gelegentlich eine Tafel, die damals mit etwa 3 Euro für die 100-g-Tafel im gehobenen Preissegment lag.
Die Verpackung war schlicht, außer den notwendigen Informationen waren nur das Firmenwappen und der Firmenname auf das pastellfarbene Umschlagpapier gedruckt. Die Farbgebung war bei allen Tafeln gleich außer bei der Jubiläums-Kreation, die mit vornehmem Silbergrau auf sich aufmerksam machte.
Es war der Name, der für Qualität bürgte, Hachez, das ursprünglich französisch ohne H, später deutsch mit H ausgesprochen wurde. Gründer der Schokoladenfabrik war zwei Bremer Compagnons. Der Namensgeber mit belgischen Vorfahren, Joseph Emil Hachez, hatte das Handwerk in der Confiserie-Hochburg Antwerpen erlernt - beste Voraussetzung für die Produktion hochwertiger Schokoladen.
Rasch erwarb Hachez eine hervorragende Reputation und baute ein großes Werk in der Bremer Neustadt, das über hundert Jahre lang als Produktionsstätte und Verwaltungssitz diente. Zwar erforderte der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem die Fabrikanlage zerstört worden war, die Beteiligung eines Investors, doch Programm und Qualität blieben mehr oder weniger unverändert.
Gut 120 Jahre lang war das Unternehmen in Privatbesitz und wurde von Männern geleitet, die Hachez seit Generationen verbunden waren. Das änderte sich 2012, als die beiden Eigentümer und Manager Hachez an einen internationalen Konzern verkauften. Der schloß 2020 das Bremer Werk und verlagerte die Produktion nach Polen. Ein Kapitel deutscher und Bremer Confiserie-Geschichte ging damit zuende.
Heute ist von Hachez nicht viel mehr übrig als der Markenname, die Aura von Tradition und ein paar Produkte, die das Image transportieren wie die Schokoladenblättchen, eine Erfindung von 1932. Das Sortiment wurde um etliche modische Geschmacksrichtungen erweitert. Nicht nur die Verpackung hat sich geändert, die für die meisten Tafeln jetzt so aussieht wie die der Edelmarke eines Discounters, nämlich für jede Sorte eine andere auffällige Farbe. Das ist die Billig-Linie, die weniger kostet als die früheren Tafeln. Die Traditions-Linie ist dafür teurer geworden.
Und was ist mit der Qualität? Die hat insgesamt nachgelassen. 2019 geriet Hachez in die Kritik, als die dunkle Vollmilchschokolade bei Öko-Test als einzige die Note ungenügend erhielt. Sie war stark mit Mineralöl verunreinigt, außerdem war die Lieferkette ziemlich intransparent. Geschmacklich hatten die Tester an der Schokolade allerdings nichts auszusetzen.
Die gehobenen Linien von Hachez sind weiter empfehlenswert, und die vormalige Jubiläumsschokolade, die jetzt als "Cocoa de Maracaibo" daherkommt, schmeckt mir noch genauso gut. Für 150 Gramm Täfelchen dieser Sorte in einer mattsilbrigen Geschenkdose sind allerdings über 13 Euro fällig. Ein feines Mitbringsel, beliebt in Deutschlands Dutyfree-Shops, auch wenn es nicht mehr wirklich aus Bremen kommt.[verkleinern]
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