Ich reise gerne mit der Bahn.
Na klar weiß ich, was da so passiert. Habe ich alles selbst erlebt. Drei Jahre lang war ich Wochenendpendler zwischen Hamburg und Köln. Da lernt man sich im Guten und im nicht so Guten kennen.
Aber ich bin auch gelegentlich mit dem Auto gefahren, mal in dreieinhalb Stunden, mal in siebeneinhalb, mal über freie Straßen oder mal durch die von LKW-Reifen aufgeworfene undurchsichtige Gischt oder über Eis und Schnee. Eine wirkliche Alternative war das für mich... weiterlesen
nicht.
Geflogen bin ich auch hin und wieder, macht man ja gerne. Schon aus Prestigegründen ist es eine wahre Lust, eine halbe Stunde in der Schlange der „Fast Lane“ zu stehen. Dann in die Lounge, dann zum Gate, dann in den Flieger, dann wieder raus, dann in’s Taxi - Ruhe kommt da nicht auf, und richtig anfangen kann man nichts.
Mir war es wichtig, auf dem Hinweg die Wochenendschlaffheit abzulegen und mich in einen Tonus zu versetzen, der mich befähigte, am Zielort sofort präsent zu sein, und mich auf der Rückfahrt so zu erholen, dass ich mich unbelastet meiner Familie widmen konnte. Das ging nur mit der Bahn.
Und das ging alles nur ohne Hektik und Stress. Deswegen war ich am Montag früh schon frisch auf dem Bahnsteig, wenn der ICE-Sprinter so gegen 5:30 Uhr in Hamburg-Altona bereitgestellt wurde. Ich nahm meinen Platz ein, immer die gleichen Leute kamen hinzu, Zeitungen wurden gebracht und ein Frühstück serviert. Die mentale Vorbereitung auf die Woche begann.
Zurück ging es mit einem Zug, der nur noch am Freitagnachmittag oder für Großereignisse eingesetzt wurde. Der 1. Klasse-Wagen lief am Zugende, mal ging die Klimaanlage nicht, und es wurden „auf Kosten des Hauses“ Getränke gebracht, mal wurde nicht geheizt, und ich behielt meine Jacke an. Die Erklärung lautete meistens: da läuft ein Kabel von der Lokomotive unter dem ganzen Zug entlang und es ist wohl beim Rangieren vergessen worden, diesen Wagen anzuschließen.
Ich liebte diesen Wagen. Es war toll, sich in das tiefe ausgesessene Polster hineinzufläzen, ein Buch zur Hand zu nehmen, Musik zu hören oder einen Film zu genießen. Außerdem hatten einige der Wagen noch diese alte Toilette, die, bei der man mit dem Fußpedal das Fallrohr zum Gleis öffnet. Zeitgemäß war das nicht, aber im Gegensatz zu den modernen Vacuflush--WC’s gab es da weder Ausfälle noch Überschwemmungen.
Und nette Gespräche ergaben sich. Ich erinnere eine Fahrt, bei der ich ab Osnabrück das Abteil für mich alleine hatte. Ich stellte meinen DVD-Player auf den Klapptisch am Fenster, machte es mir selbst am Gang sehr bequem und sah die Mamma Mia Verfilmung. In Bremen wurde die Abteiltür geöffnet und ein etwas älterer Herr trat herein. Mir war meine sehr legere Haltung etwas peinlich, um das zu überbrücken bot ich ihm an, den Film mit anzusehen, ich hatte einen zweiten Kopfhörer dabei. „Lassen Sie man“, entgegnete er, „ich bin Frauenarzt aus Oldenburg, und wenn ich diesen Film sehe, bleibt mein Blick nur an dem schrecklich gelifteten Gesicht der Hauptdarstellerin hängen“. Ich schaltete das Gerät ab und habe mich bis Hamburg interessant unterhalten.
Es gab Zugausfälle, und ich mache die Bahn nicht dafür verantwortlich, dass sich jemand auf die Schienen legt. Es gab auch allerhand Verspätungen. Es gab fehlende oder fehlerhafte Informationen und es gab in den Zügen unglaublich nettes und nach Kräften bemühtes Personal.
Die Sache mit dem bemühten Personal habe ich leider im Innendienst der Bahn nicht ganz so erlebt. Ich hatte Zugang zu einem besonderen Servicecenter für Statuskunden. Das allerdings agierte bei einer recht simplen Angelegenheit als bürokratischer Apparat alter Reichsbahnprägung. Ich hatte das Gefühl, man habe sich nicht die Mühe gemacht, meine Mail richtig zu lesen.
2010 war Schluss für mich in Köln. Ich bin danach gerne und ganz privat weiter mit der Deutschen Bahn gereist.[verkleinern]