Der neue Lidl im alten Kaufhaus
Viel wurde diskutiert und geplant für den Hermannplatz, die verkehrsumtoste Kreuzköllner Schmuddelecke - jetzt hat sich etwas getan, ein bißchen zumindest, und auch nicht auf den ersten Blick erkennbar: am 12.12. eröffnete ein Lidl-Supermarkt im Karstadt-Galeria, dem einstmals größten und modernsten Kaufhaus Europas. Eigentlich sollte das Haus umgebaut werden, das Warenhaus-Angebot wurde ausgedünnt, nun nach der Benko-Pleite bleibt Galeria drin, neuerdings mit... weiterlesen Lidl als Untermieter.
Der Supermarkt sitzt am besten Platz im Haus, im Erdgeschoß an der Ecke Hasenheide, wo die meisten Leute aus den beiden U-Bahnen und aus Bussen aussteigen oder auf dem Weg zum Baumarkt vorbeigehen. Früher befanden sich dort eine Postfiliale und ein Reisebüro, später die große Parfümerie-Abteilung. Die mit saisonaler Mode dekorierten Schaufenster an den beiden Gebäudeseiten waren immer ein Hingucker - nun geht der Blick auf Warenregale und Kunden, die ihre Körbe beladen. Keine Werbung fürs Haus, aber vor allem keine ästhetische Aufwertung des Platzes, im Gegenteil, auch das große Lidl-Logo nicht.
Das Ladenlokal ist mittelgroß und ein wenig anders aufgebaut als die üblichen Lidl-Filialen. Neben dem gewohnten frischen Obst und Gemüse am Eingang gibt es dort einen großen Bereich für Mittagspausen-Futter: Bowls, Wraps, Sandwiches, Salads "and more". Der Schwerpunkt des Warenangebots liegt auf Lebensmitteln, die Nonfood-Produkte spielen eine geringere Rolle als bei den sonstigen Filialen - so zumindest mein erster Eindruck eine Woche nach Eröffnung.
Im Pressetext zu diesem Anlaß rühmt Lidl sich für "intelligente und effizienzgetriebene Einzelhandelskonzepte". Derzeit, in der Anfangsphase, außerdem kurz vor Weihnachten, sind Anspruch und Wirklichkeit noch nicht deckungsgleich. Heute Vormittag wurden vor meinen Augen zig Packungen Frischfleisch mit gestrigem MHD aussortiert. Hoffentlich kooperiert der Laden zukünftig mit Foodsaving, um solche Verschwendung zu vermeiden - die Tafel e.V. wird von Lidl ja beliefert.
Mein Gesamturteil fällt überwiegend positiv aus, denn der Supermarkt ist übersichtlich und angenehm gestaltet. Nur ein paar Kleinigkeiten mißfielen mir. Der Verkaufsraum hat einen Ausgang und drei Eingänge, einen großen von der Straße und zwei kleine vom Inneren des Kaufhauses. An den Nebeneingängen stehen äußerst gestrenge Wachleute, die keinen Zweifel aufkommen lassen, wo es reingeht und wo es nicht rausgeht. Außer drei mit Personal betriebenen Kassen gibt es mehrere Selbstbedienungskassen, allerdings nur bargeldlos. Wer altmodisch das Portemonnaie zückt, muß oft länger warten.
Eins macht den Einkauf dort weniger attraktiv als in den umliegenden Filialen. Es gibt weder Einkaufswagen noch Tragekörbchen, nur große Rollenkörbe zum Ziehen. Daher gleicht das Umpacken der Waren aufs Kassenförderband einer gymnastischen Übung - für jüngere Menschen nicht der Rede wert, für Ältere ist die Bückerei bis zum Boden unbequem. Ebenso unpraktisch ist das Einpacken nach dem Bezahlen: die Ablagefläche an der Kasse ist winzig, die eigene Tasche hat kaum Platz, auch dahinter fehlt ein Ort zum Umladen.
Ob die Hoffnung, der neue Lidl werde den Hermannplatz neu beleben, sich erfüllt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Wenn ich in der Gegend unterwegs bin, schaue ich bestimmt wieder vorbei, denn bei Lidl finde ich immer etwas. Heute war es der köstliche löffelgeschöpfte Camembert der Lidl-Eigenmarke Deluxe, der vorige Woche war im Nu wegschnabuliert. Also bin ich wohl Teil des Zielpublikums dieses Lidl-Konzepts: zwar nicht der tägliche Mittagspausen-Kunde, aber eben der beständige Laufkundschafts-Kunde. Bis zum nächsten Camembert oder so also![verkleinern]