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Die Gedenktafel im Villenviertel der Goethestraße im Berliner Stadtteil Zehlendorf erinnert an den 1989 tragisch verlaufenen Fluchtversuch von Winfried Freudenberg aus Ost-Berlin nach West-Berlin.
Der 1956 im Harz geborene Freudenberg hatte zunächst einen ganz normalen DDR-Werdegang: Schule (mit Abitur), Wehrdienst, Studium (Informationstechnik).
Nach einem Verwandtenbesuch in der BRD reifte in ihm allerdings der Entschluss, nicht mehr in der DDR mit ihren Einschränkungen der persönlichen... weiterlesen Freiheiten leben zu wollen. Da eine legale Ausreise kaum möglich war, begann Freudenberg die Planung seiner Flucht.
Er zog nach Ost-Berlin und heiratete im Oktober 1988 eine Studienkollegin. Zusammen forcierten sie den Fluchtplan. In kleinen Stückzahlen wurden Unmengen Plastikfolie gekauft, die das Paar in ihrer Wohnung in Prenzlauer Berg mit Hilfe von Folienschweißgeräten und Klebeband zu einer Ballonhülle mit 13 m Länge und einem Umfang von 11 m zusammensetzte, denn man plante die Flucht mit einem gasgefüllten Ballon. Einen Ballonkorb gab es nicht. Als Sitz diente ein an Schnüren am Ballon befestigter Besenstil.
Um an das nötige Erdgas heranzukommen, nahm Freudenberg eine Tätigkeit beim hauptstädtischen VE Energiekombinat Berlin an, wo er auf Grund seiner Tätigkeit Zutritt zu den Verdichter- und Gasregelstationen in Ost-Berlin hatte.
In der Nacht vom 7. zum 8.3.1989 wollte das Paar die gemeinsame Flucht wagen. Sie begannen in einer Gasreglerstation in Berlin-Blankenburg mit dem Befüllen des Ballons.
Ihr Unternehmen wurde allerdings entdeckt bevor der Füllvorgang abgeschlossen war. Vor der heranrückenden Volkspolizei trennte sich das Paar, da nach ihrer Einschätzung der Ballon noch keine 2 Personen tragen konnte. Sabine Freudenberg flüchtete in die Wohnung, wo sie später von der Staatssicherheit festgenommen wurde. Winfried Freudenberg unternahm einen „Alarmstart“ mit dem Ballon und geriet in eine 380kV-Starkstromleitung, wo er einen Kurzschluss auslöste. Der Ballon konnte sich aus der Leitung befreien und trieb Richtung West-Berlin. Vermutlich wegen der Explosionsgefahr verzichteten die Volkspolizisten auf den Schusswaffengebrauch.
Was für Freudenberg folgte, war eine stundenlange Odyssee über Berlin-West. Wegen falscher Berechnungen stieg der Ballon höher als erwartet, vermutlich bis auf 3.000 m, eine Höhe, in der eisige Temperaturen und Sauerstoffmangel herrschen.
Die von Freudenberg selbstentwickelte Vorrichtung zum Ablassen von Erdgas aus dem Ballon funktionierte nicht und so wurde der Ballon von einem nordöstlichen Wind über Tegel Richtung Potsdam getrieben.
Freudenberg war vermutlich nach 5 Stunden in großer Höhe völlig erschöpft, entkräftet und verzweifelt.
Da der Ballon drohte, bei Potsdam wieder in die DDR zu fliegen, kletterte Freudenberg, wie spätere Ermittlungen ergaben, wohl an den Halteseilen zur Ballonhülle, um diese zu beschädigen und Gas abzulassen. Scheinbar gelang das Unterfangen, aber vermutlich verließen Freudenberg danach die Kräfte und er stürzte gegen 7 Uhr über Zehlendorf aus großer Höhe in den Tod. Ein Hausbesitzer in der Limastraße fand die Leiche am Morgen in seinem Garten. Die Ballonreste verfingen sich in einem Straßenbaum 1,5 km entfernt an der Kreuzung Potsdamer Chaussee/Spanische Allee.
Freudenbergs Flugroute konnte an Hand von persönlichen Sachen, die er unterwegs verloren hatte und auf Grund von Zeugenaussagen rekonstruiert werden.
Die Leiche von Winfried Freudenberg wurde in die DDR überführt und in seinem Geburtsort Lüttgenrode beigesetzt. Sabine Freudenberg kam wegen versuchter Republikflucht vor Gericht und erhielt eine dreijährige Bewährungsstrafe.
Wie jedem rational denkende DDR-Bürger muss auch den Freudenbergs klar gewesen sein, welches persönliche Risiko sie mit ihrem Fluchtvorhaben auf sich nahmen. Im besten Fall endete der Weg im „goldenen Westen“, im schlimmsten Fall im Krankenhaus, im DDR-Strafvollzug oder sogar auf dem Friedhof.
Zum Gedenken an Winfried Freudenberg, der als bisher letztes bekanntes Todesopfer der Berliner Mauer gilt, wurde am Erdmann-Graeser-Weg / Ecke Goethestraße in Zehlendorf, nur wenige 100m vom Fundort der Leiche entfernt, diese, ein wenig an eine Haltestelleinformation, erinnernde Gedenktafel aufgestellt. Auf ihr kann man die Geschichte der Flucht, illustriert mit zeitgenössischen Fotos, nachlesen.
8 Monate nach der missglückten Flucht fielen die Mauer und die innerdeutsche Grenze![verkleinern]
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