Ich gebe gerne zu, ohne die Artikelserie über vergessene, verborgene und unbekannte Denkmäler in der „Berliner Zeitung“ wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass mitten in einer Haselhorster Wohnanlage (Bezirk Spandau) ein Denkmal aus der NS-Zeit steht.
Man findet den „Adlerhorst“ am Rand des kleinen Spielplatzes hinter dem Haus Lünette 7 im nördlichen Teil der unter Denkmalschutz stehenden „Reichsforschungssiedlung“.
Dieses damals moderne Wohngebiet wurde von 1930 bis 1935 nach einem... weiterlesen
Entwurf des Architekten Walter Gropius (1883-1969) im Auftrag der „Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen“ erbaut.
Die Nazis bauten nach 1933 die Wohnsiedlung fertig und verkauften sie der staunenden Öffentlichkeit als NS-Musterwohnsiedlung für die Volksgenossen.
Zum Abschluss der Bauarbeiten gab‘s noch ein „Denkmal der nationalen Erhebung“, nämlich eben jenen „Adler, Adlerhorst mit Gelege“ aus Bronze des Bildhauers Max Esser auf einem Granitsockel und einem Gedenkstein mit Inschrift.
Mit „nationaler Erhebung“ bezeichnete die NSDAP ihre Machtergreifung.
Die Skulptur ist voll mit nationalsozialistischer Symbolik: Der Adler, das deutsche Wappentier, der aufmerksam die Umgebung beobachtet und zugleich schützend seine Schwingen über den im Adlerhorst sitzenden Jungen ausbreitet steht für das die Bevölkerung und die Volksgenossen schützende Reich und die staatstragende Partei.
Bei der Adlerplastik fallen vor allem die einzeln ausgearbeiteten Federn der Schwingen auf.
Mit dem Schutz war es 4 Jahre später vorbei. Das faschistische Deutsche Reich entfesselte den 2. Weltkrieg. Zog der Reichsadler anfangs noch erfolgreich und triumphierend seine vernichtenden Bahnen über Europa, wendete sich schnell das Blatt und 1945 legte er völlig zerfleddert eine fulminante Bruchladung auf den Trümmern des Deutschen Reiches hin. Ob der faschistische Reichsadler mit dem Kriegsende wirklich untergegangen ist, wage ich angesichts der aktuellen Ereignisse in Deutschland allerdings zu bezweifeln.
Eigenartigerweise überlebte das Haselhorster „Denkmal der nationalen Erhebung“ den Krieg und die Nachkriegszeit. Das Denkmal wurde entnazifiziert und der Inschriftenstein entsorgt. Aus dem Denkmal wurde Kunst im Wohngebiet. Von viel Grün umgeben bewacht der Adler heute neben seinen 3 Jungen noch die spielenden Kinder der Hausbewohner.
Der Bildhauer Max Esser wurde 1885 geboren. Nach einem Studium am Kunstgewerbemuseum Berlin arbeitete er als freischaffender Bildhauer und entwarf Modelle für die Porzellanwerke ua. in Meißen und Berlin. Esser schuf vor allem zahlreiche Tierplastiken.
Im III. Reich galt er als staatsnah und erhielt vom NS-Regime zahlreiche Aufträge.
Ende 1945 starb Max Esser in Berlin.
Fazit: Ein Denkmal mit brauner Vergangenheit, heute wohl eher mit dem Status einer Tierskulptur. Trotzdem ein Beispiel von NS-Denkmalkunst.
Spielende Kinder gab‘s am Denkmal genauso wenig wie national-völkisch gesinnte Kameraden von Identitärer Bewegung, AfD und NPD …. hoffentlich bleibt es so, was die Kameraden betrifft.[verkleinern]