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"Wer zählt die Biere, nennt die Namen, die süffig hier zusammenkamen."
Sehr frei nach einem Spruch aus "Die Kraniche des Ibykus" vom Dichterfürsten Friedrich von Schiller möchte ich eine kleine Reihe von Bewertungen über Brauereien beginnen.
Weniger über die ganz Großen, welche ihre Produkte in so ziemlich jedem Getränkemarkt des Landes präsentieren, sondern über kleine bis mittelgroße Produzenten, die sich der Bierherstellung unter dem neudeutschen Oberbegriff "Craft-Beer" verschrieben... weiterlesen haben, aber auch durchaus einfach nur Pils, Helles oder Bockbier brauen.
Von Paderborn nach Berlin gereist bleibe ich noch ein wenig in der Hauptstadt, es gibt hier einige bemerkenswerte Brauereien zu beschreiben, deren Biere ich verkosten konnte.
Berlin ist für den Sachsen ja nicht gerade Heimatgebiet, wie die bereits 1979 vom Leipziger Kabarettisten Jürgen Hart veröffentliche heimliche Sachsen-Hymne verdeutlicht.
Achtung, Nichtsachsen ( also die deutliche Mehrheit ), ihr müsst jetz mal für einige Zeilen ganz stark sein:
"Doch gommdr Sachse nach Berlin
Da gönn'se ihn nich leiden
Da wollnsem eene drieberziehn
Da wollnse midm schdreiden!
Und dudmern ooch verscheißern
Sein Liedchen singdr eisern! "
Vergeben und vergessen, das heutige Berlin ist längst ein anderes als die ehemalige Hauptstadt der größten DDR der Welt und die ungeliebten Sachsen von früher kommen heute eher aus Süddeutschland, Stichwort " "Wir können alles. Außer Hochdeutsch" . Mehr Worte dazu verlieren hieße, rote Bären nach Spreeathen zu tragen.
Deshalb zum eigentlichen Zweck der Bewertung, dem Bier.
Heute besuche ich virtuell , aber mit dem echten Gebräu vor mir einen ganz tollen Laden.
Ganz unberlinerisch nennt sich diese Brauerei "Stone Brewing GmbH".
Nun gut, die bundesdeutsche Hauptstadt ist international, der Name der Braustätte sei also nicht gleich in den Anglizismentopf geworfen. Zumal es einen guten Grund hatte, einen englischen Namen zu wählen: Der Chef vom Ganzen stammt aus Kalifornien und hat dort 1996 mit dem Bier brauen angefangen, um den Amerikanern beizubringen, dass es auch richtiges Bier gibt. Er tut es in den USA immer noch, im Gegensatz zu Berlin - dazu später mehr.
Greg Koch, so heißt der aus San Diego stammende Mann, machte sich also auf, Europa zu erobern. Wo konnte das besser gelingen, als in einer Nation von Biertrinkern wie Deutschland, und wenn schon, dann gleich ins Zentrum des Wahnsinns.
Allerdings nicht ins Stadtzentrum von Berlin, sondern in ein weit draußen liegendes ehemaliges Gaswerk im Stadtteil Mariendorf.
Hier wurden satte 25 Millionen Euro investiert und im September 2016 eröffnete eine moderne Brauerei nebst großem Restaurant und Biergarten für bis zu 1200 Gäste.
Neben zahlreichen und diversen anderen Marken wird hier natürlich das selbst gebraute Bier ausgeschenkt, es gibt ausschließlich Craft-Biere, vier IPAs, ein Pale Ale, ein Pils, ein American Strong Ale und als Reminiszenz an den Brauort eine Berliner Weiße aus eigener Stone-Brewing- Produktion.
Brauerei und Gastronomie sollen wohl anfangs ganz gut gelaufen sein, es gab aber von Anfang an Probleme. Der Unternehmer Greg Koch unterschätzte die deutsche Bürokratie. Immer neue Forderungen, nicht nur für ihn selbst sondern auch an beteiligte Baufirmen, sorgten für Verzögerungen. Baufirmen stellten die Arbeit vorübergehend ein, viel Geld ging dadurch verloren.
Nächstes Problem - der deutsche Biertrinker mag sein Bier durchaus gern, will aber möglichst wenig dafür zahlen. Auch hier hatte sich Koch durchaus mehr erwartet und vermutlich die "Geiz ist geil"-Mentalität der Deutschen unterschätzt.
Ich zahle für eine 0,33l-Dose bestem Stone-Biers im Laden gern so um die 2,50 €, macht umgerechnet auf einen 20er Kasten halbe Liter runde 75 Euro. Wenn man das so sieht, wahrlich kein billiger Spaß. Aber es ist eben auch kein billiges Bier, sondern eines der besten IPAs, die ich bisher probiert habe. Und außerdem sollte man diese Biere genießen, in kleinen Mengen, und nicht zur eigenen "Abfüllung" saufen.
Viele andere Hersteller im Craftbier-Bereich rufen ähnliche Preise auf - und verkaufen ihr Bier.
Greg Koch langte es irgendwann. In digitalen Medien waren u.a. diese Statements zu lesen: Der Standort Mariendorf sei eins der „schwierigsten und frustrierendsten Dinge gewesen“, die er je getan habe. Und: " vielleicht war das zu groß, zu mutig, zu früh“.
Und sagte auch dies: "Deutschland hat eine wundervolle Brautradition und einen hervorragenden Ruf – und trotzdem wird diese Bierkultur von den Deutschen weitestgehend ignoriert, weil sie das 08/15-Supermarktbier vorziehen. Das ist eigentlich eine Tragödie."
Ich kann nicht anders, als dem Kalifornier weitestgehend recht zu geben.
Nach 2 1/2 Jahren hat Greg Koch die Reißleine gezogen und sein Engagement in Berlin weitgehend beendet.
Glück im Unglück: Die gesamte Anlage aus Brauerei und Gastronomie in Mariendorf besteht weiter, es konnte eine reibungslose Übernahme durch die Firma Brewdog, ein schottisches Craftbeer-Unternehmen, erfolgen.
Und Stone Brewing ist nicht ganz weg vom Berliner bzw. deutschen Fenster. Einige der Sorten werden von Brewdog nach Kochs Vorgaben weiter in berlin gebraut und in Deutschland verkauft, einige andere Sorten exportiert Stone Brewing aus der Zentrale in Kalifornien nach Deutschland.
Zum Bier selbst habe ich nun noch gar nicht viel geschrieben.
Ich kann Bierliebhabern nur raten : AusproBIERen. Was mich ein klein wenig stört, es werden nur Metalldosen befüllt und verkauft. Aber da kann ich mir natürlich ein passendes Glas nehmen und das Bier einschenken, denn nichts finde ich befremdlicher, als Bier aus einer winzigen Öffnung einer Blechdose zu süffeln.
Wäre auch schade, denn geschmacklich sind die IPAs einfach Spitze. Ordentlich gehopft , ordentlich mit Alkohol versehen, von fruchtig über leicht bitter zu samtigem Schaum im Glas.
Fazit: Feine Geschäftsidee mit viel Geld umgesetzt. Letztlich leider mit den guten Ideen an der menschlichen Realität gescheitert. Was bleibt, sind die hervorragenden Biere, die im deutschen Handel nach wie vor erhältlich sind. Für Bier und die Verfügbarkeit 5 Sterne von mir.[verkleinern]