Stöbern, Schmökern, Gutes tun
Berlin und Bücher, das gehört zusammen, für die einen mehr, für die anderen weniger. Keine Stadt Deutschlands hat mehr Verlage, Antiquariate, Buchhandlungen und Bibliotheken - die Stadt hat ja auch mit Abstand die meisten Einwohner, mag man einwenden. Ist Berlin also auch die Lese-Hauptstadt? Schwer zu sagen. Sicher ist, daß die Zahl der Buchläden mit neuen und gebrauchten Büchern stark gesunken ist, die Buchpreise ständig steigen und an den städtischen... weiterlesen Leihbibliotheken gespart wird. Außerdem nehmen Lesekompetenz und Lesezeit stark ab, nicht nur bei Schülern.
Urbane Herausforderungen kreativ zu bewältigen gehört zu den Stärken Berlins, und eine der Antworten auf das Lese- und Bücher-Problem ist der Berliner Büchertisch. Diese doppelte Organisation, ein genossenschaftlich betriebenes Antiquariat und ein Verein zur Leseförderung und kostenlosen Versorgung mit Medien, entstand 2005 in Kreuzberg. Den Anstoß zur Gründung gab Ana Lichtwer, eine Expertin für Sozialunternehmertum, die vor allem durch ihre Arbeit im -> Haus der Materialisierung bekannt wurde. Heute betreibt der Berliner Büchertisch zwei Gebrauchtbuchhandlungen mit Onlineshop in Kreuzberg und Neukölln. Der Verein sitzt seit 2017 in Rixdorf und engagiert sich besonders in den umliegenden Kiezen Nord-Neuköllns.
Der Büchertisch ist also kein normales Antiquariat, das profitorientiert nach dem Prinzip billig einkaufen und teuer verkaufen arbeitet. Spenden von Büchern und anderen Medien, auch Spiele, werden gerne angenommen, insbesondere solche für Kinder und Jugendliche. Sie werden dann als Wunschpaket an Kitas, Schulen und Vereine weitergegeben, bei Aktionen zur Leseförderung können die Teilnehmer sich Bücher aussuchen und kostenlos mitnehmen. So kommen Institutionen und Einzelne in den Genuß von sonst unerschwinglichem Lesestoff.
Der Verein leistet viel für die Bildungsförderung und den sozialen Zusammenhalt, das finde ich großartig. Im Herbst hatte ich die Gelegenheit, die Arbeit des Büchertischs bei einer Aktionswoche kennenzulernen. Das Konzept ist wirklich klug: die laufenden Kosten werden größtenteils über den Antiquariatsverkauf finanziert, die Personalkosten sind durch die vielen Freiwilligen im Verein gering, und Projekte werden vor allem von Stiftungen gefördert.
Nach 20 Jahren seines Bestehens ist der Büchertisch gut vernetzt und entwickelt seine Leseförder-Aktionen zusammen mit namhaften Lesepädagogen. Der Projektraum im Richardkiez ist bei Kindern und Jugendlichen beliebt - kein Wunder, die Gestaltung wurde mit ihnen gemeinsam entwickelt. Auch hier also keine fertigen top-down Lösungen, sondern lebendige grassroots-Demokratie.
Natürlich war mir als Buch- und Antiquariats-Liebhaberin der Büchertisch lange ein Begriff, aber bis vor kurzem kannte ich die Arbeit des Vereins nicht. Seitdem kaufe ich umso lieber dort ein, weil ich weiß, daß jedes von mir erworbene Buch auch anderen Menschen Lesefreuden ermöglicht.
Antiquariat Kreuzberg:
Gneisenaustr. 7a, 10961 Berlin
030 - 37443933
Mo-Sa 11:00-19:00
Flohmarktlädchen Neukölln:
Richardstr. 83, 12043 Berlin
030 - 56820252
Mo-Sa 14:00-18:00 Uhr
Die Medien des Onlineshop-Angebots werden bundesweit versandt oder zur Abholung kostenlos an einen der beiden Läden geliefert.
Weitere Kontaktdaten, z.B. für Bücherspenden und Mitarbeit im Verein, auf der Website.[verkleinern]