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Die Schloss Bensberg Classics - kurz SBC - sind eine im Jahre 2009 erfundene Veranstaltung im Bereich klassische Automobile. Einmal im Jahr, zur schönen Jahreszeit, gibt es hier eine durchaus ambitionierte Ausstellung, Rallye Historique (ausführliche Ausfahrt ins diesmal sonnendurchglühte Bergische) (Und das in der Regel ohne Klimaanlage) (Aber Automobilisten sind ja aus härterem Holz als Normalfahrer) und den Concours d'Elégance, also die Bewertungsolympiade.
Der Rahmen der Veranstaltung... weiterlesen entspricht ohne weiteres den vorgeführten Preziosen. Das im sehr frühen 18 JH errichtetete Jagdschloss des Kurfürsten Johann Wilhelm II ist heute eines der größten Barockschlösser überhaupt. Größter Vorzug der trefflich platzierten Anlage ist natürlich der westliche Fernblick auf die Colonia. Jaahaa, und auch die vielgepriesene Kochkunst und Unterbringung. Denn im sehr späten 20 JH wurde das zwischenzeitlich als Internat genutzte Barock-Hüesli zum Althoff Grandhotel umgebaut. Für etwa 75 Millionen Euro, wie man hört. Und sieht.
Gleichwohl hat hier auch der autogeneigte Plebs Zutritt - abgesehen von der VIP - Galerie gegenüber der Verköstigungsmeile, wie ich amüsiert (denn Prommis sind mir dort nicht aufgefallen) feststellen konnte. Am Sonntag sind angemessene 8 Euro zu hinterlegen. Wobei freundliche Empfangsdamen auch den kostenlosen, üppigen blauen Ausstellungskatalog aushändigen, der beim Untertiteln der Bilderflut behilflich ist. Am Freitagabend und am Samstag ist der Eintritt zur den automobilen Festspielen frei.
Dem edlen und als Hobby nicht gerade kostengünstigen Vergnügen angemessen bewegt sich auch das Publico gern auf avanciertem Niveau. Die Herren geben sich auffallend gut gelaunt und jovial, es wird viel gescherzt und gewunken. Die Damen sind häufig in hochansehnlicher - oder sagen wir dem Thema angemessen - getunter Bestform. Unweit des Schlosses mit seinen Wellness-Oasen befindet sich rein zufällig eine renommierte Fachklinik für einschlägige Modellierungen, aber dies nur am Rande.
Von Interesse, das erhebende Ambiente betreffend, vielleicht auch eine kleine Auswahl zufällig aufgeschnappter Gesprächsfetzen: 'Ach nein, den (Automobil oder Herrenfahrer?) kenne ich ja aus Monaco!' 'Natürlich, Medizin. Und danach will sie nach Australien' 'Herr Professor W.. Sie trifft man aber auch überall' Zwanglos en passant wird das abwesende Töchterlein bei Firma Althoff lanciert: 'Irgendwas mit Events, ginge das?' 'Kein Problem, hier die Visitenkarte des Personalchefs, sie soll einfach ihre Unterlagen schicken'. Man kennt sich halt, das vereinfacht vieles. Oder soll man etwa seine gesellschaftlichen Möglichkeiten brachliegen lassen? Na also. Eine faszinierende, belebende Umgebung ist dies hier, wenn auch sicher nicht auf Dauer zu ertragen. Außerdem bin ich ja - schade eigentlich - nicht zum Zwecke ergiebiger Sozialstudien hier.
Dann also doch lieber Riley, Aston Martin, Jensen, Bentley, Rolls Royce und Jaguar. Die bekannteren, teilweise leider bereits verblichenen britischen Hersteller sind fast vollzählig vertreten. Nur wurde ausgerechnet kein Markengefährte aus dem Hause Morris Garages (MG) gesichtet - shocking! Dafür aber zwei besonders saftige E-Types, die ich jederzeit allen anderen E-Mobilen vorziehen würde. Besonders auf kurvigen Landstraßen.
Von der nicht nur bei Automobilisten hochgeschätzten Halbinsel sind so ziemlich alle berühmten und auch weniger berühmte (Siata, Cisalpina) Vertreter vertreten. Auch erfreulich zahlreiche Exemplare meines, wie ich inzwischen weiß, Lieblingsitalieners Maserati und dessen kurzlebiger Ausgründung O.S.C.A. Die Eleganz der Sportlimousinen, Coupés und Cabrios der 50er und 60er ist unübertroffen und bereits für sich den Eintritt wert. Das gilt auch für das traumhafte blaue Sportcoupé Ghibli SS mit 4,7 l V8 Antrieb aus dem Jahre 1971 - einem meiner SBC-Favoriten.
Gesprochen übrigens Gibli, wegen des 'gh' Konsonanten. Das sollte sich eigentlich auch ohne Italienischkurs langsam mal herumgesprochen haben. Wer sich das nächste Mal solch sprachliche Fehlzündungen wie 'Dschiebli' oder - noch schlimmer - 'Lambordschieni' leistet, kriegt von mir einen Wagenheber oder sonst was Brauchbares ins Kreuz. Eeeeh!
Aber wir wollten ja weiter Autos kucken: zu nennen wäre hier noch der tschechische Fabrikant Tatra, der hier mit dem fürs Baujahr 1941 höchst avantgardistischen Typ 87 vertreten ist. Und dessen Landsleute aus dem Hause Skoda.
Aus den Vereinigten Staaten fällt der überaus stattliche Duesenberg SJ und - mehr noch - die eher zierliche Design-Ikone Studebaker Avanti R2, weitgehend aus Fiberglas gefertigt, auf. Letztere entstammt der Feder des Industriedesigners Raymond Loewy, dem wir neben einigen weiteren Automobilentwürfen auch noch die Coca Cola Flasche zu verdanken haben.
Dessen Heimatland wiederum erfreut durch den Anblick des 1969er Renault Alpine und etlicher Bugatti, darunter der Alterspräsident der Veranstaltung, ein Typ 27 aus dem Jahre 1923 .
Last but not least das gastgebende Land: Mercedes-Benz ist ja schon länger am Markt und hier natürlich in vielfacher Ausfertigung am Start. Von BMW, Porsche und VW hat man auch schonmal gehört. Bei Borgward, DKW und Auto Union wird's schon schwieriger und der längst verblichene Hersteller Adler dürfte den Wenigsten ein Begriff sein,
Auf den Sonderausstellungen der Veranstaltung finden wir sehr hochgezüchtete Rallye Golfs und Polos und einen thematisch dazu passenden, gleichwohl an diesem Ort deplaziert wirkenden Ford Capri 2600 RS. Fällt für mich alles unter 'Krawall im All', eine absolut inadäquate Art der Fortbewegung.
Dann lieber die Schau 'Vive Le Mans' im Park hinterm Schlössle. Das sind ja schließlich richtige Rennwagen und keine getunten Großserienkarren. Es finden sich hier authentische Helden aus Vergangenheit und Neuzeit des 24 Stunden Rennens, die man sonst nur vor Ort oder im Museum zu sehen kriegt.
Der krönende Abschluss des Automobilisten-Wochenendes zu Bensberg ist die Preisverleihung im Rahmen des Concours d'Elégance. Und zwar in vielen - natürlich stets Englisch betitelten - Kategorien und Sonderkategorien. Zum Auswahlkommitee gehören ernstzunehmende Koryphäen wie der bekannte Designer Andrea Zagato, Jacky Ickx - Held aller verfügbaren Rallye und Rennspektakel und nicht zuletzt Sandra Button, Chefin der weltweit führenden Concours-Veranstaltung im kalifornischen Pebble Beach. (Für Fans: am 17.8. ist es dort wieder soweit)
Bensberg gehört in dieser Disziplin inzwischen zu den Top-Events und die hier vergebenen Pokale haben hohes Gewicht in der Biographie der betreffenden Automobile und deren Besitzer. Erfreulicherweise geht es seit Neuestem ncht mehr nur um die hyperpenible 'besser-als-Original'-Aufarbeitung klassischer Automobile, bei der Concours und Konkurs schon desöfteren ineinander übergegangen sein sollen. Schließlich liegen die benötigten Originalbauteile nicht beim A.T.U. rum sondern stehen oft nur wenige Male weltweit zur Verfügung und müssen einzeln erworben werden. Das wird dann ohne weiteres siebenstellig. Nein, der Trend geht jetzt etwas in Richtung 'unrestored': also in Richtung authentischer Automobile, die zwar gut gepflegt sind, denen man aber altersgemäße Gebrauchsspuren ansehen darf.
In dreißig Jahren könnte es also Hoffnung für meine getreue Lady Guinevere mit gesprungener Plastikheckscheibe und kleckseligen Lackierversuchen geben. Man sieht sich also - auf der Landstraße und nächstes Jahr selbstverständlich wieder am Bensberger Schlössle.
Nachtrag 15.07.2018
Man hat sich bereits im Jahre 2017 umbenannt. Aber da war schlechtes Wetter. Daher erst zur 2018er Edition diese nothwendige Ergänzung. Zunächst wird ein S ergänzt - denn man nennt sich jetzt 'SBSC' Schloss Bensberg Supersports Classics. Ein Umstand, der zunächst nichts Böses erahnen lassen muss. Schließlich steht da immer noch Classics. Und Supersportwagen gab es auch schon in den 1920ern. Der Vergleich zu den 2016er SBC fällt gleichwohl etwas ungünstig aus. Vorkriegsmodelle, also die klassischerweise eigentlichen Oldtimer sucht man heuer völlig vergeblich. Es gibt keine Sonderschau im Park oder Spiegelsaal und sogar vom hinteren Parkplatz - seinerzeit eine lohnende Schau für sich - wurde ich mit 'freundlichem' Hilfsangebot verscheucht.
Erwartungsgemäß sind neuzeitliche Flachflundern vom Schlage eines BMW i8 mehrfach vertreten, dazu vornehmlich britische Carbongeschosse der Hersteller McLaren oder Aston Martin. Klassische Eleganz vornehmlich italienischer Provenienz ist nur noch eine Randerscheinung. Dass der Eintrittspreis von 8,00 Euro gleich geblieben ist und weiterhin ein immerhin hilfreiches dickes Programmheft hinabgereicht wird, ist unter den neuen Preis-Leistungs-Umständen eher nicht als volksnah zu feiern.
Immerhin war perfektes Wetter und natürlich ergibt sich daraus die eine oder andere gelegentlich zu ergänzende Bilddatei. Durch frühe Anfahrt entging ich dem allergröbsten Parkplatz-Such-Gewusel, es war auch so bereits etwas schwierig. Auf die sagenhaft hölzernen Begrüßungsreden der Offiziellen hätte ich allerdings notfalls verzichten können. Positiv fiel immerhin das weiterhin heiter-gelassene soziale Grundklima nebst erfreulicher Eleganz eines gewissen Teils des Publicos auf. Und an gleich zwei Prämierungen im Rahmen des Concours war ein im Kölner Garden District weltbekannter Schrauber beteiligt.
Auch endet das Programm heute bereits um 15:00. so dass keine Kollisionsgefahr mit dem anderen heutigen Weltereignis besteht. (Eine Ballsportveranstaltung wegen der ich immerhin vorübergehend unter anderer Flagge auflaufe)
Eines der hübschesten Exponate, ein DeTomaso, befand sich übrigens außerhalb des Schlosses auf dem Seitenstreifen der infernalischen Kopfsteinpflaster-Rampe (nix für 'Tiefergelegte'), war also immerhin kostenlos zu begutachten. Ich denke, das rettet vorerst den vierten Stern.
mit freundlichen Grüßen, Sir Thomas[verkleinern]
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