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"Wer zählt die Biere, nennt die Namen, die süffig hier zusammenkamen."
Sehr frei nach einem Spruch aus "Die Kraniche des Ibykus" vom Dichterfürsten Friedrich von Schiller möchte ich eine kleine Reihe von Bewertungen über Brauereien beginnen.
Weniger über die ganz Großen, welche ihre Produkte in so ziemlich jedem Getränkemarkt des Landes präsentieren, sondern über kleine bis mittelgroße Produzenten, die sich der Bierherstellung unter dem neudeutschen Oberbegriff "Craft-Beer" verschrieben... weiterlesen haben, aber auch durchaus einfach nur Pils, Helles oder Bockbier brauen.
Ich dürfte hier mittlerweile bekannt dafür sein, alle möglichen Biere durch den eigenen Leib laufen zu lassen. Ringsum in Sachsen habe ich so ziemlich alles ab- bzw. ausgetrunken, was so an verschiedenen Bieren erzeugt wird. Vieles davon ist im regionalen Getränkehandel erhältlich, aber natürlich längst nicht alles, was in Deutschland so zusammengebraut wird.
Immerhin gibt es einen gut funktionierenden Online-Versandhandel, mehrere Anbieter verschicken Biere aus aller Welt. Mich interessieren dabei nur die deutschen Produkte, ansonsten wird man ja gar nicht fertig mit einschenken und austrinken.
In einem "Überraschungspaket" eines Versenders fand ich u.a. eine 0,33 l-Flasche mit dem schönen Namen "Lenchens Ale" von der Hütt-Brauerei aus dem hessischen Baunatal.
Dort wird auf der Knallhütte seit Mitte des 18. Jahrhunderts Bier gebraut und das bis heute als Familienbetrieb.
Es stellen sich Fragen. Wieso Hütt, obwohl die Inhaberfamilie Bettenhäuser heißt. Und was ist die Knallhütte ?
Der Reihe nach.
1752 erhielt Johann Friedrich Pierson, Sohn französischer Vorfahren, die Konzession zum Bier brauen. Dies tat er im eigene Gasthof und zunächst nur für seine Gäste. Da war er mit 63 Jahren schon nicht mehr der Jüngste , zog die Sache aber durch und hatte großen Erfolg damit.
Bereits 13 Jahre später war die Nachfrage so groß, dass eine eigene kleine Brauerei aufgebaut wurde, um Bier an weitere Interessenten verkaufen zu können.
Ob dies Johann Friedrich noch erlebte oder schon sein Sohn Johann Friedrich Isaak Pierson die Geschäfte übernommen hatte, konnte ich nicht herausfinden. Der Sohn blieb jedenfalls bis 1798 Inhaber, dann übernahm sein Schwager Otto Keim die Brauerei, dieser war mit der Schwester von Isaak verheiratet. Keims Sohn Johann Martin folgte seinem Vater auf dem Chefsessel, wie man heute wohl sagen würde.
Es folgten ab 1846 mit Karl Keim und ab 1900 mit Heinrich Keim die nächsten beiden Generationen. 1931 ging die Brauerei in Erbfolge an die Tochter Helene über, die mit Franz Bettenhäuser verheiratet war. In diesem Jahr war also die 7. Generation in der Verantwortung und der Familienname Bettenhäuser eingeführt.
1945 starb Franz und hinterließ seinem Sohn Karl Brauerei und Gasthof. Dieser musste nach dem Kriegsende die damals darniederliegenden Geschäfte neu aufbauen.
Ab 1984 erlangte Sohn Frank die Geschäftsführung und hat sie bis heute inne.
Es waren meist lange Zeiträume, in denen die jeweiligen Inhaber tätig waren. Daher ist es im 270. Jahr des Bestehens tatsächlich "erst" die neunte Generation im durchgehend in Familienhand befindlichen Unternehmen.
Nun zur Frage Knallhütte .
Die Knallhütte mit Gasthaus und Brauerei findet man heute unweit des Autobahnkreuzes Kassel West in Sichtweite zu den Werkhallen von VW.
Beides gab es natürlich vor mehr als 200 Jahren noch nicht, dafür aber eine Straße, die Frankfurt mit Kassel verband. Am Berg oben gelegen hörte man von unten das Peitschenknallen der Kutscher, wenn die auf diese Weise Hilfe für die Bergauffahrt anforderten. Dann schickten die von oben Brauereipferde nach unten, um die Wagen hochziehen zu helfen.
So soll vor etwa 150 Jahren der Name Knallhütte entstanden sein.
Und Brauerei und Gasthaus waren dann eben die "Hütt".
In der Jetztzeit ist die Hütt-Brauerei die letzte verbliebene mittelständische Privat-Brauerei im Raum Kassel. Es werden zahlreiche Sorten Bier gebraut. Neben den Klassikern Pils, Weißbier und Helles gibt es Radler, Naturtrübes, alkoholfreie Biere und einige Spezialitäten, die im Jahr 2022 speziell für die Documenta 15 , welche im nahen Kassel stattfindet, gebraut werden.
Ich hatte wie oben erwähnt von der Hütt-Brauerei "Lenchens Ale" in meinem Ü-Paket. Wie der Name schon sagt ein Ale. Und Lenchen deshalb, weil die Großmutter Helene des jetzigen Inhabers, die im Jahr 1931 die Brauerei erbte, ihren Garten sehr liebte und dort gern ein Bier trank. Ihr Mann hat extra für seine Frau ein Bier kreiert und für seine Frau brauen lassen.
Und Enkel Frank lässt in der alten Rezeptur und in heutiger Zeit die Erinnerung an seine Oma weiterleben.
Mir hat es geschmeckt, danke Helene und danke an den Enkel für das Bewahren der Tradition :-)
Ich würde gern weitere Sorten probieren, leider versendet Hütt kein Bier in seinem Onlineshop, es gibt nur Merchandsing und Accessoires.
Im sächsischen Einzelhandel fand ich die Biere ebenfalls nicht, ich werde also wieder mal bei den anderen Onlinehändlern vorbeischauen.[verkleinern]