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Ausgezeichnete Bewertung
Man braucht eine gute Straßenkarte oder ein detailverliebtes Navi, um Gut Kummersdorf (35 km südlich von Berlin) überhaupt zu finden. Vor Ort bin ich am Museum vorbei gerauscht, weil ein Hinweis an der Straße fehlte. Über dem Eingang zum einstigen Dorf-Konsum (Dorfladen) prangt das Schild „Ständige Ausstellung“. Unbefestigte Parkplätze gibt es an der unbefestigten Straße am Haus.
Im Museum wird vom Förderverein „Historisch-technisches Museum Versuchsstelle Kummersdorf“ mit Modellen,... weiterlesen
Infotafeln und einigen Exponaten die meist militärische Geschichte des Standorts Kummersdorf dargestellt. Vor dem Haus werden einige unhandliche Ausstellungsstücke wie Teile eines Kesselswagens, der bei einem Explosionsversuch zerlegt wurde, präsentiert.
Im Haus dominieren Modelle von Anlagen der einstigen Versuchsstelle sowie umfangreiche und informative Texttafeln, ergänzt durch einzelne Exponate.
Was war nun die Versuchsstelle Kummersdorf?
Im 19. Jahrhundert hatte die preußische Artillerie-Prüfungskommission ihren Schießplatz in Tegel (damals bei heute in Berlin). Der technische Fortschritt brachte immer größere Geschütze mit immer größerer Reichweite hervor. In Tegel waren durch die Nähe zu Berlin weder Geheimhaltung noch öffentliche Sicherheit gewährleistet.
Die preußische Armee suchte und fand einen neuen Standort im Kummersdorfer Forst bei Sperenberg, der im Besitz der Krone war. Man baute erste Kasernen und erschloß das Gebiet mit der Königlich-Preußischen Militäreisenbahn, die dann von (Berlin-)Schöneberg nach Kummersdorf fuhr.
Ab 1877 war der Artillerie-Schießplatz Kummersdorf mit seiner 12 km langen und 250 m breiten Schießbahn, den Kasernen, Werkstätten, Bunkern und Magazinen betriebsbereit. Mit zum Teil schwerer Artillerie (z.B. 21cm-Mörser) wurden zahllose Schießversuche, ua. auf feste Ziele (Bunker, Panzerkuppeln von Festungswerken, Panzerwänden, Gewölben usw.) durchgeführt.
1897 wurde das gesamte Gelände zum Heeres-Gutbezirk erklärt, wovon der heutige Name Gut Kummersdorf herrührt.
1909 wurde die „Dicke Berta“, ein Monstermörser Kaliber 42cm, Kaiser Wilhelm II. persönlich vorgeführt.
1911 nahm die Funk- und Telegraphenstation ihren Betrieb auf. Mit der Bildung einer eigenen Kraftfahrabteilung zollte man 1913 der beginnenden Motorisierung Tribut. Auch im 1. Weltkrieg gingen die Waffenerprobungen weiter. In Kummersdorf wurde auch der typische deutsche Stahlhelm entwickelt, der in modifizierten Varianten bei Reichswehr, Wehrmacht, Feuerwehr, Bundesgrenzschutz und NVA seinen den Kopf der Soldaten schützenden Dienst tat.
Das Areal wurde ständig erweitert und ausgebaut und umfaßte weite Gebiete bei Zossen, Jüterbog und Sperenberg. 1887 kam ein Truppenübungsplatz bei Klausdorf und 1882 der Wasserübungsplatz der Eisenbahn- und Eisenbahnpioniertruppen am Sperenberger Schumkasee hinzu.
Das Ende des 1. Weltkrieges und die Bestimmungen des Versailler Vertrages bedeuteten das Ende der Versuchsstelle. Es gab noch eine kleine Versuchsschießanlage mit wenigen leichten Geschützen. Militäreisenbahnstrecken, nun im Besitz der Deutschen Reichsbahn, wurde stillgelegt. Das Gelände wurde bis 1927 ständig von einer alliierten Kommission auf Einhaltung der Versailler Bestimmungen kontrolliert.
Ab 1925 nahm das Heereswaffenamt der Reichswehr die Versuchsstelle wieder in Betrieb. Die Heeresschule für Hunde- und Brieftaubendienst und eine Kraftfahrversuchsstelle wurden in Kummersdorf stationiert.
Trotz alliiertem Verbot wurden wieder schwere Geschütze (Fa. Krupp) und Panzer (Fa. Mercedes-Benz, Rheinmetall) entwickelt und letztere als „Leicht-„ bzw „Großtraktor“ getarnt. Getestet wurde dann all das Verbotene vom Panzer über Flugzeuge bis hin zum Kampfgas wegen dem Versailler Vertrag in der Sowjetunion, mit der Reichsregierung und Reichswehr Geheimabkommen geschlossen hatten.
Mit dem Machtantritt der Nazis und der damit verbundenen Remilitarisierung des Deutschlands wurde die Versuchsstelle Kummersdorf weiter ausgebaut. Neue Anlagen kamen hinzu, die Militärbahnstrecken wurden wieder in Betrieb genommen. In der Raketenversuchsstelle Kummersdorf-West wurden Fest- und Flüssigkeitsbrennstoffraketen von einem Wissenschaftlerteam um Walter Dornberger, zu dem auch Wernher v. Braun gehörte, entwickelt und getestet.
Ab 1935 war in Kummersdorf das Pionier-, Lehr- und Versuchsbataillon 2 mot der Wehrmacht stationiert.
Die Versuchsstelle Kraftfahrzeuge testete Panzer und anderes Motorisiertes auf Einsatztauglichkeit unter verschiedenen Einsatz- und Klimabedingungen. Neue Waffen und Fahrzeuge wurden genauso getestet wie soldatische und andere Ausrüstungsgegenstände sowie Beutewaffen.
In der Chemisch-physikalischen und Atomversuchsstelle Gottow unternahm man bereits ab 1939 Experimente zur Kernspaltung. Man experimentierte mit Uran, chemischen Kampfmitteln, Sprengstoffen, Brandmitteln usw. .
1944 errichtete man für den von Porsche entwickelten überschweren Panzer „Maus“ (offiziell „Panzerkampfwagen VIII) mit einem Gewicht von 188 Tonnen (zum Vergleich: der Bundeswehr-Leopard 2 wiegt 62 Tonnen und der damalige T34 ca. 30 Tonnen) eigens eine Montagehalle, die aber genauso wenig fertig wurde wie die Superpanzer, von denen es nur 2 Prototypen gab (das einzige erhaltene Exemplar übernahm die UdSSR und wird heute in einem russischen Panzermuseum ausgestellt).
Im April 1945 lag Kummersdorf im Bereich der Kesselschlacht bei Halbe. Gleich 2 x eroberte die Rote Armee das Gebiet. Bei den Kämpfen und durch die Explosionen der Munitionslager gab allein in Kummersdorf und den umliegenden Dörfern über 1000 Tote.
Nach dem 2. Weltkrieg nutzte die Rote Armee große Teile der Versuchsstelle weiter als Standort (Jüterbog-Sperenberg). Für Jahrzehnte waren diese Teile militärisches Sperrgebiet. Bereits 1945 hatte die Rote Armee die meisten technischen Anlagen bis hin zur Feldbahn demontiert und die Sowjetunion abtransportiert. Eine Schießbahn sowie verschiedene Geländeabschnitte wurden von der sowjetischen Luftwaffe für Übungsbombenangriffe genutzt. Nach Einstellung des Schießbetrieb waren in Kummersdorf bis 1994 Transport- und Instandsetzungseinheiten der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland / Westgruppe der russischen Streitkräfte stationiert.
Einige Standort wurden auch von der DDR genutzt: In Horstwalde wurden Kraftfahrzeuge, hauptsächlich für die NVA, getestet und erprobt. Heute ist diese Anlage öffentlich zugänglich und wird ua. von der Bundesanstalt für Materialprüfung für Außenexperimente genutzt. So wurden Explosionsversuche mit Kessel- und Tankwagen durchgeführt.
Außerdem ist in Kummersdorf seit 60 Jahren ein Munitionsbergungsbetrieb mit Sprengplatz angesiedelt.
Vom Kummersdorfer Museumsverein werden gesicherte Führungen über das riesige Gelände angeboten. Wer lebensmüde ist, kann natürlich auch auf eigene Faust ….
Dann hat man aber gute Chancen, seine Abenteuerlust mit Gesundheit oder Leben zu bezahlen. Das ganze ehemalige Militärareal gehört zu den munitionsverseuchtesten und somit gefährlichsten Gebieten Brandenburgs. Nicht umsonst hat die Feuerwehr extra für diese Waldgebiete einen alten Bergepanzer zum Löschpanzer umgebaut!
Von den heute durch das Gebiet verlaufenden Straßen kann man aber trotzdem den einen oder anderen Gebäudekomplex aus kaiserlicher, Reichswehr-, Wehrmachts- und sowjetischer Zeit sehen.
Fazit: Interessante, etwas textlastige Ausstellung zu dem Militärgelände, das seit Jahrzehnte die Gegend prägt.
Leider nur Sonntags geöffnet.
Fotografieren fürs Privatarchiv ist erlaubt, die Veröffentlichung der Aufnahmen ist untersagt.[verkleinern]
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